Verärgerter Nobelpreisträger

Mit Harald zur Hausen hat Deutschland 2008 endlich wieder einen Medizin-Nobelpreisträger. Doch die Folgen seiner Entdeckung, eine Impfung gegen Zervixtumoren, stoßen im eigenen Land auf wenig Gegenliebe.

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Professor Harald zur Hausen nahm am 10. Dezember 2008 in Stockholm den Medizin-Nobelpreis für die Entwicklung einer HPV-Vakzine entgegen.

Professor Harald zur Hausen nahm am 10. Dezember 2008 in Stockholm den Medizin-Nobelpreis für die Entwicklung einer HPV-Vakzine entgegen.

© dpa

Heidelberg, Dezember 2008. Ob sich Professor Harald zur Hausen am 10. Dezember bei der Nobelpreisverleihung noch so gefreut hat wie am 6. Oktober bei der Bekanntgabe?

Einige Tage vor der Reise nach Stockholm, wo er den Preis zusammen mit den Aids-Forschern Barré-Sinoussi und Montagnier in Empfang nehmen soll, ist der 72-jährige Krebsforscher jedenfalls alles andere als gut gelaunt.

Unerträglich findet er auf einer Veranstaltung in Heidelberg die Vorstellung, dass ausgerechnet in seinem Heimatland eine größere Zahl Frauen Gebärmutterhalskrebs bekommen könnte, weil 13 Experten in einem Manifest den Nutzen der Impfung infrage stellen.

Doch zur Hausen kämpft bei jeder sich bietenden Gelegenheit weiter für die Impfung. Bereits 1976 hatte er in einer Fachzeitschrift die Hypothese aufgestellt, dass Humane Papillomaviren (HPV) die Ursache für Zervixtumoren sind und nicht, wie lange vermutet, Herpes-simplex-Viren (HSV).

Zwei Impfstoffe kommen 2006 auf dem Markt

Das stößt gerade bei den HSV-Anhängern auf wenig Begeisterung. Zur Hausen kann jedoch keine HSV in den Tumoren finden. Er weiß aber, das Genitalwarzen maligne entarten können und HPV enthalten.

Daraus schließt er auf HPV als Ursache und kann die Viren auch im malignen Gebärmutterhalsgewebe nachweisen.

In den 1980er-Jahren identifiziert seine Arbeitsgruppe schließlich die Subtypen HPV-16 und HPV-18, die in etwa 70 Prozent der Zervixkarzinome vorkommen. Eine Impfung gegen diese beiden Virustypen sollte folglich die Mehrzahl der Gebärmutterhalstumoren verhindern.

2006 kommen zwei Impfstoffe auf den Markt, die zuverlässig vor kanzerogenen HPV-Infektionen und Vorstufen eines Zervixkarzinoms schützen. Die ersten Impfungen, die sich gezielt gegen einen Tumor richten.

Sie werden im März 2007 in der EU zugelassen und sofort von der STIKO für Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren empfohlen.

Bis heute viele Skeptiker

Das Dilemma, mit dem sich zur Hausen und die Impfbefürworter jedoch herumschlagen müssen: Ob die Vakzine auch vor den Karzinomen und nicht nur vor den Krebsvorstufen schützt, lässt sich mit absoluter Sicherheit erst in 20 bis 30 Jahren sagen, nämlich dann, wenn es bei den Geimpften tatsächlich weniger Tumoren gibt.

In genau diese Kerbe hauen die 13 Forscher und Ärzte, darunter überwiegend Gesundheitsökonomen, Psychologen sowie ausgewiesene Pharmakritiker in ihrem Manifest vom 25. November.

Zur Hausen hält ihnen entgegen, dass es dann allerdings für 120.000 Frauen zu spät ist, die ungeimpft in dieser Zeit alleine in Deutschland an dem Tumor erkranken.

Er ist von der Wirksamkeit so überzeugt, dass er sich selbst die Kanüle anlegen lässt, denn am liebsten würde er nicht nur alle Mädchen, sondern auch alle Jungen impfen, um die Infektionskette zu unterbrechen.

Allerdings haben hierzulande bis heute die Skeptiker die Oberhand. In Deutschland werden nur etwa 30 Prozent der Mädchen, in anderen Industrieländern teils über 70 Prozent gegen HPV geimpft. Zur Hausen darf sich damit trösten, dass immerhin woanders der HPV-Schutz ernst genommen wird. (mut).

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