Zeitzeugen berichten: Dr. jur. Bernard große Broermann

"Qualität und Wirtschaftlichkeit - das gehört zusammen"

Schnell umgesetzte Investitionen und Innovationen im Management: Das sind in den Augen von Dr. Bernard Broermann, Inhaber der Asklepios Kliniken, die wichtigsten Wettbewerbsvorteile privater Klinikträger. Doch auch für private Anbieter gibt es Grenzen des Wachstums, so Broermann im Interview.

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Dr. jur.Bernard gr. Broermann

"Qualität und Wirtschaftlichkeit - das gehört zusammen"

© Andreas Laible / Asklepios

Aktuelle Position: Gründer und Inhaber der Asklepios Kliniken.

Werdegang/Ausbildung: geb. 1943 in Damme/Westfalen; Studium der Medizin, Chemie, Jura, Betriebswirtschaft in Münster, Berlin, Fontainebleau und Harvard.

Karriere: ab 1976 selbstständig als Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer; Aufbau einer Krankenhauskette in den USA; 1984 Gründung der Asklepios Kliniken.

Privates: 1988 Gründer der Dr. Broermann Stiftung mit dem Ziel der Förderung von Prävention.

Das Unternehmen Asklepios: private Klinikkette mit 108 Krankenhäusern und 32 weiteren Gesundheitseinrichtungen. Umsatz 2011: 2,56 Milliarden Euro; mehr als 1,7 Millionen behandelte Patienten.

Ärzte Zeitung: Herr Dr. Broermann, Sie sind einer der Pioniere bei privaten Klinikketten und haben 1984 Asklepios gegründet. Lag diese Entwicklung eines stärkeren privaten Segments bei Krankenhäusern damals in der Luft?

Dr. Bernard große Broermann: Das lag schon in der Luft. Die Privatisierungen waren eine unmittelbare Folge der Kostendämpfungspolitik, die damals begann. Öffentliche Häuser waren teilweise nicht mehr in der Lage, den ökonomischen Druck auszuhalten. Genau da kamen wir damals rein.

Ärzte Zeitung: Seit den 80er Jahren wachsen die großen Ketten wie Asklepios, Helios oder Rhön scheinbar unaufhaltsam - und schreiben schwarze Zahlen. Die Häuser mit anderen Trägern sind dagegen häufig in Schwierigkeiten. Was machen die Privaten besser?

Broermann: Es gibt ein Grundproblem: Wir haben in Deutschland OECD-weit die niedrigste Vergütung pro Fall. Das hat erst vor kurzem McKinsey in einer Studie belegt. Die Folge ist eine enorme Arbeitsverdichtung. Acht Patienten pro Mitarbeiter haben Sie in den USA, neun Patienten pro Mitarbeiter in der Schweiz, in Deutschland sind es 20 Patienten pro Mitarbeiter. Das ist die Herausforderung für die Klinikträger.

Ärzte Zeitung: Und die privaten werden damit besser fertig? Wodurch?

Broermann: Es gibt viele Stellschrauben, aber ich nenne mal zwei Hauptpunkte. Erstens sind es die Investitionen. Wir investieren schnell und unkompliziert, um so einen optimalen Betrieb zu gewährleisten. Wenn Sie zu kleine Stationen haben, müssen Sie eben neu bauen. Das ist wirtschaftlich, und es schafft dann auch ein optimales Arbeitsumfeld für die Ärzte. In Hamburg haben wir so zum Beispiel sehr schnell das größte Herzkatheterlabor Europas aufgebaut.

Der zweite Punkt sind Innovationen im Management: Wir sind etwa bei der IT-Vernetzung aktiv, wir gehen das Thema Green Hospital an, wir engagieren uns für die Ausbildung, auch von Ärzten, und wir haben vor Jahren das Thema Qualitätsmanagement und später auch die Erfassung der Ergebnisqualität angestoßen.

Insgesamt kann man sagen, dass die Privaten viel Gutes getan haben, was andere dann auch - zu Recht - übernommen haben. Letztlich geht es darum, mit dem politisch gewollten Mangel möglichst effizient umzugehen, Qualität und Wirtschaftlichkeit so weit wie möglich zusammenzubringen.

Ärzte Zeitung: Wo geht die Entwicklung hin? Gibt es Grenzen des Wachstums für die privaten Ketten?

Broermann: Es gibt ja bereits eine Gegenbewegung in Deutschland, die zum Beispiel in Volksentscheiden schon sichtbar geworden ist. Ich glaube, es wird ein Miteinander von kirchlichen, öffentlichen und privaten Trägern bleiben, und das ist auch gut so - aus kartellrechtlichen Gründen. Aber auch der Wettbewerb zwischen den Systemen ist positiv zu sehen.

Ärzte Zeitung: Die Ökonomisierung der Medizin wird häuig kritisiert. Wie lassen sich Effizienz und ärztliche Heilkunst produktiv zusammenbringen?

Broermann: Das Thema wird leider unter dem Stichwort "Geld oder Leben" populistisch missbraucht, dabei ist die Frage eigentlich sehr komplex. Zunächst einmal glaube ich, dass Ärzte einen hohen ethischen Anspruch haben. Ich erlebe es nicht so, dass sie sich durch Geld in ihren Behandlungsentscheidungen wirklich beeinflussen lassen.

Das Grundproblem liegt darin, dass überall in der Versorgung in der Klinik mehr Geld gebraucht würde, als vorhanden ist. Und wenn die Ärzte den Mangel verwalten, dann stehen sie unter Druck, in den privaten Häusern genauso wie bei anderen Trägern. Und die Politiker machen es sich leicht, indem sie einfach die Kosten begrenzen, Stichwort Beitragssatzstabilität.

Über die Rationierung insgesamt wird politisch entschieden, und der Arzt am Ende der Kette muss dann entscheiden: "Was mache ich noch und was nicht?" Das hat letztlich nichts mit dem Betreiber zu tun. Im Gegenteil: Ich glaube, dass gerade die privaten Betreiber es noch am besten schaffen, die begrenzten Mittel möglichst gut zu verteilen.

Die Gewinne, die die privaten Betreiber machen, die auch Asklepios macht, sind doch dringend nötig, weil ich ständig reinvestieren muss.

Ärzte Zeitung: Bisher zahlen Kliniken Chefärzten häufig Boni für wirtschaftliche Benchmarks wie steigende Fallzahlen. Wie stehen Sie zu der Forderung nach qualitätsbezogenen Boni?

Broermann: Wie gesagt, ich glaube, Ärzten geht es primär um das Wohl ihrer Patienten. Wir zahlen Boni nach ökonomischen Kennziffern nur, wenn die medizinische Qualität gegeben ist, ohne Qualität gibt es keinen Bonus. Trotzdem denken wir darüber nach, die Anreizsysteme zu überarbeiten. Da geht es auch um die Außenwirkung.

Ärzte Zeitung: Stichwort sektorübergreifende Versorgung: Immer wieder wird gefordert, Ärzte in Praxen und in Kliniken sollten enger die Behandlung abstimmen. Zugleich weckt jede intensive Kooperation schnell den Verdacht einer Zuweisung gegen Entgelt. Wie kann nach Ihrer Meinung eine saubere Zusammenarbeit zwischen Klinik und Praxis aussehen?

Broermann: Eine Geldzahlung für die Zuweisung von Patienten muss strafrechtlich verfolgt werden, das darf es nicht geben. Das ist für mich keine Frage. Wenn aber niedergelassene Ärzte Krankenhäusern Arbeit abnehmen, etwa in Form von Voruntersuchungen, dann müssen sie natürlich dafür bezahlt werden, mit fairen Preisen.

Aber es darf in diesen Preisen keine Vergütung für die Zuweisung versteckt sein. Im Übrigen, wenn es um eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Klinik und Praxis geht: Ein wichtiges Mittel dafür ist die Online-Vernetzung. Das ist bei uns ein großes Thema.

Ärzte Zeitung: Wie weit sind Sie damit gekommen?

Broermann: Wir arbeiten bereits mit der elektronischen Fallakte, auf die Klinikarzt und Einweiser Zugriff haben. Wir entwickeln zusätzlich eine elektronische Patientenakte, die den Behandlern - natürlich mit Einverständnis der Patienten - die kompletten Patientendaten zugänglich macht. Eine Hoffnung ist es, dadurch das Thema der Fehlbelegung in den Griff zu bekommen.

Ein Patient, der in eine hoch spezialisierte Klinik der tertiären Versorgung gehen müsste, darf nicht in ein Haus der Grundversorgung eingeliefert werden. Dort kann man ja gar nichts mit ihm anfangen, und das ist letztlich Verschwendung von Ressourcen. Umgekehrt gilt das natürlich genauso: Patienten mit leichten Erkrankungen sollten nicht in Universitätskliniken versorgt werden.

Ärzte Zeitung: Wird das Potenzial der Online-Vernetzung schon ausgeschöpft? Wo gibt es weitere Möglichkeiten?

Broermann: Die Technik ist ja eigentlich nur das Vehikel für eine bessere Versorgung. Bisher nutzen die zuweisenden Ärzte meist gar nicht alle Möglichkeiten, die sie eigentlich haben: Die meisten rufen lediglich den Arztbrief ab, und sie holen sich die Informationen über die gegebenen Medikamente. Das hat auch etwas mit Zeit zu tun. Es geht außerdem darum, die Komplexität zu reduzieren.

Mit Hilfe der Telemedizin können wir es schaffen, das Wissen von Kliniken der tertiären Versorgung in Häuser der Grundversorgung zu bringen. Ziel ist es, mehr Know-how über den Patienten an den Behandlungspunkt zu bringen, im Sinne von Qualität und Wirtschaftlichkeit. So lassen sich die korrekte Diagnose und eine adäquate Therapie für den Patienten beschleunigen. Und da brauchen Sie die Würze der privaten Betreiber. So entwickelt der Wettbewerb letztlich die Dynamik der Innovation.

Ärzte Zeitung: Wo sehen Sie für die nächsten Jahre die größten Chancen durch neue Therapieansätze?

Broermann: Für mich ist das große Thema die Prävention. Meine Stiftung verfolgt ja seit Jahren genau das Ziel, die Entstehung von Krankheiten durch Prävention zu verzögern oder ganz zu verhindern. Wir bringen zum Beispiel Schulklassen in Krankenhäuser, um die Aufklärung zu stärken. Jeder kann das eigene Gesundheitsschicksal beeinflussen.

In Deutschland wird im Gesundheitssystem weiterhin zu viel Geld für die Folgeerkrankungen, etwa des Rauchens, ausgegeben - aber zu wenig um gegen die Ursachen vorzugehen.

Das Interview führte Hauke Gerlof.

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