Erste Anzeichen für eine Mangelernähr ung - was nun?

Immer mehr alte und pflegebedürftige Menschen sind von Mangelernährung betroffen. Mit einer frühzeitigen Therapie lassen sich der Ernährungs- und Gesundheitszustand erhalten. So können auch mögliche Folgekosten einer Mangelernährung gering gehalten werden.

Von Claudia Menebröcker Veröffentlicht:
Der Ernährungszustand sollte vor allem bei alten Patienten regelmäßig erhoben werden.

Der Ernährungszustand sollte vor allem bei alten Patienten regelmäßig erhoben werden.

© Foto: Klaus Rose

Ein 82-jähriger Patient, nennen wir ihn Herrn Anton, besucht seit über 25 Jahren die gleiche Hausarztpraxis. Er und auch seine Familie sind dort gut bekannt. Herr Anton lebt mit seiner Frau im Eigenheim, am Dorfleben beteiligt er sich noch rege. Der Patient hat keine schwer wiegenden Erkrankungen, klagt jedoch seit mehreren Wochen über Druckstellen unter der Zahnprothese, außerdem über Völlegefühl und Appetitlosigkeit.

In der Rückschau stellt der Hausarzt fest, dass Herr Anton im letzten Monat vier Kilogramm Gewicht verloren hat. Er ist normalgewichtig, wiegt nun 74 Kilogramm bei einer Größe von 1,80 Metern. Sollten diese Beschwerden anhalten, wird das Gewicht vermutlich weiter sinken und es wird sich eine Mangelernährung mit all ihren Folgen entwickeln.

Hier muss der Arzt aufmerksam werden und gemeinsam mit dem Patienten nach den Ursachen forschen. In diesem Beispiel stellt er in einem Gespräch mit Herrn Anton fest, dass dieser seine Essgewohnheiten in den letzten Wochen stark verändert hat. Herr Anton bekam vor einem viertel Jahr eine neue Zahnprothese, die immer wieder Druckstellen verursacht, sodass er wegen der Schmerzen seine Speisenwahl anpasste.

Bis zu diesem Zeitpunkt verzehrte er gerne Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten, auch Vollkornbrot gehörte zu seinem täglichen Speiseplan. Nun wählt er nur noch leicht zu kauende Speisen mit einem geringeren Ballaststoffanteil und isst insgesamt auch kleinere Mengen. So entwickelte sich eine chronische Verstopfung, die einhergeht mit Völlegefühl und Appetitlosigkeit. Das wiederum führt dazu, dass der 82-Jährige immer weniger essen mag.

Bei der Behandlung von Herrn Anton stehen natürlich die Anpassung der Zahnprothese und eine veränderte Lebensmittelauswahl mit dem Ziel einer besseren Verdauung an erster Stelle. Das wird an dem Beispiel sofort deutlich und erscheint banal. Entscheidend ist es aber, das Problem der drohenden Mangelernährung überhaupt wahrzunehmen und dann die Ursachen dafür zu ermitteln.

Ursachen und Therapie der Mangelernährung

Mangelernährung im Alter hat viele verschiedene Gründe. Dazu zählen Veränderungen wie die reduzierte Sinneswahrnehmung oder nachlassende Muskelkraft, Appetitlosigkeit, funktionelle oder geistige Beeinträchtigungen und chronische Erkrankungen. Aber auch die soziale Situation alter Menschen hat Einfluss auf die Nahrungsaufnahme. Nicht immer sind die Ursachen so offensichtlich wie in diesem Beispiel. Häufig erfordert ihre Ermittlung eine intensive Beschäftigung mit dem Patienten.

Die Behandlung orientiert sich dann an der individuellen Situation des Patienten. Allgemeine Ziele der Ernährungstherapie sind dabei

  • die Sicherung bzw. Steigerung der Energie- und Nährstoffzufuhr,
  • die Erhaltung bzw. Verbesserung des Ernährungszustands, der Funktionalität und Aktivität sowie der individuellen Lebensqualität,
  • die Reduktion der Morbidität und Mortalität.

Eine erfolgreiche Ernährungstherapie erfordert also neben der Behandlung der Grunderkrankung immer die ausreichende Energie- und Nährstoffversorgung nach den Bedürfnissen des Patienten.

Im beschriebenen Beispiel könnten als Ziele vereinbart werden: Halten des Körpergewichts, eine gut sitzende Zahnprothese und regelmäßiger, weicher Stuhlgang. Daher werden Herrn Anton folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

1. Behandlung durch den Zahnarzt und Anpassung der Prothese,

2. allmähliche Steigerung der Ballaststoffzufuhr, vermehrter Verzehr von Gemüse, Verwendung fein gemahlener Vollkornprodukte, evtl. Einsatz von Ballaststoffpräparaten,

3. Vermeidung stopfender Lebensmittel wie Schokolade, Kakao, Weißbrot und

4. ausreichende Flüssigkeitszufuhr, beispielsweise auch Tees aus Pfefferminze, Fenchel, Kamille und Melisse.

Bei Herrn Anton ist die Therapie relativ einfach. Die Kooperation mit Ernährungsfachkräften für die Beratung des Patienten und einem Zahnarzt für die Mitbehandlung sichert den Therapieerfolg.

Stufenweises Vorgehen bei der Therapie

Ein systematisches Vorgehen hilft, auch bei komplexen Problemen eine angemessene Lösung zu finden. Voraussetzung dafür ist die regelmäßige Erhebung und Bewertung des Ernährungszustands. Sobald Ernährungsprobleme offensichtlich werden, ist eine sorgfältige Ursachenforschung erforderlich. Nur auf dieser Grundlage können, unter Berücksichtigung von Problemen und Ressourcen des Patienten, die Therapieziele bestimmt und geeignete Maßnahmen eingeleitet werden. Dazu können beispielsweise gehören: die Optimierung der Speisen- und Getränkeauswahl, die Therapie bestehender Erkrankungen, eine Unterstützung bei den Mahlzeiten, soziale Betreuung, Ergotherapie und vieles mehr. Selbstverständlich muss deren Wirksamkeit überprüft werden.

Jede Ernährungstherapie erfolgt grundsätzlich stufenweise. Ziel ist immer die bedarfsgerechte Energie- und Nährstoffzufuhr mit der üblichen oralen Ernährung. Wenn das trotz begleitender medizinischer, pflegerischer und sozialer Maßnahmen nicht möglich ist, ist eine ergänzende Ernährung mit Supplementen oder Trinknahrung angezeigt.

Deren Verordnungsfähigkeit ist in der Arzneimittelrichtlinie zur enteralen Ernährung vom Oktober 2005 geregelt. Verordnungsfähig sind Trink- und Sondennahrungen immer dann, wenn Patienten nicht mehr in der Lage sind, sich auf normalem Weg ausreichend gut zu ernähren. Die Kosten für Standard-Trinknahrungen und Standard-Sondennahrungen werden daher für die meisten Betroffenen von den Krankenkassen getragen.

Die enterale Ernährung per nasaler oder perkutaner Sonde ist erforderlich, wenn die Energie- und Nährstoffzufuhr durch orale Ernährung mit Supplementen und/oder Trinknahrung nicht sichergestellt werden kann oder nicht durchführbar ist. Die Verordnung erfolgt immer im Einzelfall. Dabei ist der (mutmaßliche) Wille des Betroffenen zu berücksichtigen und vorab sind juristische und ethische Fragen zu klären. Ergänzend zur enteralen Ernährung per Sonde ist die orale Nahrungsaufnahme für viele Menschen möglich und sollte genutzt werden.

Claudia Menebröcker ist Inhaberin von CM Verpflegungskonzepte für Senioren.

AUF EINEN BLICK

Informationen zur Mangelernährung im Internet

Fachgesellschaften, Verbände und Firmen bieten Infos und teilweise auch Tests zur Risikoabschätzung im Internet. Hier einige Homepages:

Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin: www.dgem.de/mangel.htm

Deutsche Seniorenliga: www.dsl-mangelernaehrung.de

Allianz gegen Mangelernährung im Alter: www.mangelernaehrung.info

Fresenius Kabi: www.enterale-ernaehrung.de

Nestlé Nutrition: http://nutrinews.nestle.de/Home/Experten/Erwachsene/default.htm

Pfrimmer Nutricia: www.nutririsk.de/cms/de/service_und_wissen/nutririsk_analyse.php

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