Voller Einsatz für die Sicherheit der WM-Besucher

Die Gewaltkriminalität ist hoch, es gibt Millionen bitterarmer, arbeitsloser junger Männer, die Polizei ist oft überfordert: Südafrika ist auf viele Eventualitäten vorbereitet, doch die Sicherheit bleibt die Achillesferse der FIFA-Weltmeisterschaft.

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Hungrig auf dem Marsch zu McDonald’s? 50 000 südafrikanische Polizisten sind bei der WM im Einsatz.

Hungrig auf dem Marsch zu McDonald’s? 50 000 südafrikanische Polizisten sind bei der WM im Einsatz.

© VI Images / Imago

KAPSTADT (dpa) Nichts haben die Veranstalter der Fußball-WM im Vorfeld mehr gefürchtet als Sicherheitsprobleme. Die Gefahr, dass Anschläge das Bild von fröhlichen und friedlichen Spielen trüben, lastet heute auf jeder Großveranstaltung in der Welt. In Südafrika kommen aber viele bedrohliche Faktoren zusammen: Terrordrohungen, sehr hohe Gewaltkriminalität, Millionen bitterarmer, arbeitsloser junger Männer, eine oft überforderte Polizei, kaum zu kontrollierende, lange Grenzen.

Wie ernst die Drohungen rechtsradikaler Gruppen zu nehmen sind, zeigen jetzt bekannt gewordene Festnahmen in Pretoria. Polizeiminister Nathi Mthetwa berichtete vor der WM, dass Rassisten Bombenanschläge in den schwarzen "Townships" geplant hätten. Seit dem Mord am Führer der "Afrikaner Weerstandsbeweging", Eugene Terre Blanche, Anfang April hetzen Rechtsradikale im Web gegen Schwarze.

Auch auf Webseiten islamistischer Gruppen waren Angriffe - vor allem auf die Teams aus den USA und England - angekündigt worden. Im April hatte die Polizei zwei Waffenlager ausgehoben, in Johannesburg 2500 Kilo Sprengstoff gefunden - mit dem aber vor allem Geldautomaten aufgesprengt werden sollten, meinten Experten.

Sorge um Image als Touristenland

Fast noch mehr als Anschläge aber fürchten die Südafrikaner, dass spektakuläre Verbrechen verhindern könnten, das Image des Touristenlandes und Investitionsstandorts weiter aufzupolieren. Viele Südafrikaner reden sich - und gerne auch Besuchern - ein, das Land kämpfe halt mit Verbrechen so wie London oder Chicago auch. Doch die Statistik spricht eine klare Sprache: Die Mordrate ist 30-mal so hoch wie in Deutschland. Es gibt kaum Orte in der Welt, die so gefährlich sind wie Johannesburg, Kapstadt oder Durban - nimmt man Kriegsgebiete einmal aus.

Gewaltkriminalität spielt sich zwar vor allem in den Elendsvierteln ab. WM-Besucher, hieß es im Vorfeld, müssten sich, solange sie in den Innenstädten bleiben, WM-Spiele oder touristische Attraktionen besuchen, kaum mehr Gedanken um ihre Sicherheit machen als in Italien oder England. Aber in Townships sollten sich Fußballfans nicht verirren.

Die Angst der Südafrikaner, Opfer eines Verbrechens zu werden, ist selbst für Besucher rasch spürbar. Die überall präsenten privaten Sicherheitsdienste, die festungsartig geschützten Häuser nicht nur der Reichen, auch des Mittelstands, zeugen vom Ausmaß der Gefahren.

Mit etwa 50 000 Polizisten sorgt Südafrika während der WM für Sicherheit und Ordnung, über 100 Millionen Euro wurden investiert, unter anderem für sechs Hubschrauber, zehn Einsatzkommando-Fahrzeuge und Wasserwerfer. Sicherheitsexperten aus vielen Ländern - so auch vom BKA aus Deutschland - verstärken die einheimischen Kräfte. Die Streitkräfte Südafrikas demonstrierten vor der WM vor den Fernsehkameras, wie gut sie bei Geiselnahmen oder Terrorangriffen gerüstet wären.

Nur eine sonst beim Fußball oft übliche Gefahr kann man in Südafrika fast ausschließen. Ausschreitungen einheimischer, gewaltbereiter Hooligans oder schwer alkoholisierte Fans gibt es hier nicht. Südafrikas Fußballanhänger gelten als friedlich und harmlos.

Die Krankenhäuser und Gefängnisse in Südafrika sind dennoch auf alle Eventualitäten vorbereitet: In allen neun WM-Städten sind einem Bericht der "City Press" zufolge Krankenhäuser im Vorfeld von den Behörden angewiesen worden, ausreichend leere Betten für eventuelle Notfälle während der WM in Reserve zu halten. Zudem sollen in jeder Stadt jeweils 300 Plätze in Gefängnissen zur Verfügung stehen. Südafrikas Haftanstalten gelten allerdings als chronisch überbelegt. Viele Richter werden schließlich nach Angaben von südafrikanischen Juristen während der WM als "Nacht-Schnellrichter" eingesetzt, um insbesondere im Fall von Fan-Ausschreitungen Übeltäter rasch abstrafen zu können.

Ein Gewinner steht bereits fest

Auch wenn die südafrikanische Mannschaft bereits aus dem Turnier ausgeschieden ist, steht für die Regierung des Landes bereits ein Gewinner fest: die heimische Wirtschaft. Seit 2006 wurden mit Blick auf die WM insgesamt 400 Milliarden Rand (etwa 38 Milliarden Euro) investiert - vor allem in Infrastruktur-Maßnahmen (Straßen, Energie, Flughäfen). Direkt für die WM - wie dem Neu- und Ausbau von Stadien, Sicherheitsmaßnahmen oder den neuen Gautrain-Schnellzug von Johannesburg nach Pretoria - wurden rund 33 Milliarden Rand ausgegeben. Finanzminister Pravin Gordhan meint, der erwartete Anstieg des Bruttoinlandsproduktes 2010 um 2,3 Prozent werde zu mehr als einem Fünftel der WM zu verdanken sein.

FIFA-Präsident Joseph Blatter bläst ins gleiche Horn. Der Kampf gegen "Armut, Analphabetismus und Krankheiten" werde durch die erste Fußball-WM auf afrikanischem Boden angekurbelt, meint er. Die Kernzahlen scheinen den Optimisten Recht zu geben: Im März verzeichnete der Staat überraschend wieder einen Handelsüberschuss, der Fiskus reibt sich die Hände über "phänomenal" gestiegene Steuereinnahmen, das Budgetdefizit wurde auf 6,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesenkt. Südafrika steht international nicht schlecht da.

Weitere Berichte zur FIFA WM 2010 und Informationen zum WM-Tippspiel finden Sie auf unserer Sonderseite

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