Doping beim Fußball - Einzelfälle oder Betrug mit System?

Doping im Fußball bringt nichts. Oder vielleicht doch? Fakt ist: Die bis zu den Viertelfinalspielen der WM in Südafrika genommenen 240 Proben waren nach FIFA-Angaben alle negativ.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Ex-Spitzenspieler mit einer Doping-Vergangenheit: Diego Maradona (Argentinien), Christophe Dugarry (Frankreich), Edgar Davids (Niederlande), von links.

Ex-Spitzenspieler mit einer Doping-Vergangenheit: Diego Maradona (Argentinien), Christophe Dugarry (Frankreich), Edgar Davids (Niederlande), von links.

© Colorsport / Imago; Hoch Zwei-GN / Imago; dpa

In keiner Sportart wird der Nutzen pharmakologischer Manipulationen so häufig und so vehement in Zweifel gezogen wie im Fußball. Dabei hätten die wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie die bekannt gewordenen Doping-Skandale der Vergangenheit doch längst alle Skeptiker verstummen lassen müssen. Erythropoetin (Epo), Steroide, Narkotika, Amphetamine, Blutdoping - dem Reiz, Leistung durch verbotene Präparate und Methoden zu steigern, unterliegen auch Fußballprofis, wie die Sporthistorie beweist.

Die bis zu den Viertelfinalspielen genommenen 240 Proben bei der WM in Südafrika waren alle negativ. Das hat die FIFA mitgeteilt. Bei jeder WM-Partie wurden je zwei Spieler pro Team mit Blut- und Urinproben kontrolliert. Bereits im WM-Vorfeld hatte der Weltverband 256 Trainingskontrollen vorgenommen. Verstöße wurden nicht festgestellt.

Welche Dopingpraktiken machen im Berufsfußball überhaupt Sinn? Epo verbessert die Ausdauer und verschafft den Kickern dadurch gerade in der zweiten Halbzeit Vorteile gegenüber ihren Gegnern. Anabolika und Wachstumshormone können -vor allem in englischen Wochen, in denen zwei Pflichtspiele innerhalb von sieben Tagen zu absolvieren sind - die Regeneration unterstützen. Steroide helfen verletzten Spielern zudem, in der Reha schneller wieder den Anschluss zu bekommen. Mit Kokain und anderen Stimulanzien lässt sich die Ermüdungsgrenze hinauszögern. Cannabis nimmt einem Spieler die Angst und steigert seine Zweikampfbereitschaft. Und zu Analgetika greifen Profis in der Hoffnung, ihre aufgrund allzu hoher Belastung verursachten Schmerzen betäuben zu können.

Spekulationen über das Wunder von Bern

Im Leistungssport ist schon immer gedopt worden, offenbar auch im Fußball. Ob man Berichten glauben soll, selbst das Wunder von Bern sei bloß durch die Gabe unerlaubter Substanzen zustande gekommen, sei dahingestellt. Belegt hingegen ist die weit verbreitete Einnahme des Amphetamin-Derivats Fenetyllin Ende der 1980-er Jahre. Auch deutsche Kicker versprachen sich damals von der Einnahme des unter dem Handelsnamen Captagon vertriebenen Präparats wahre Wunder. Erst 2007 haben der ehemalige Nationalmannschaftstorhüter Jens Lehmann und der Bundesliga-Trainer Peter Neururer jene Praxis erstmals offen gelegt. "Viele Spieler waren verrückt danach", erzählte Neururer. "Das war überall bekannt und wurde praktiziert. Bis zu 50 Prozent haben das konsumiert. Nicht nur in der zweiten Liga." Seine Trainer-Kollegen Jürgen Röber und Benno Möhlmann bestätigten die Verbreitung von Captagon ebenso wie die ehemaligen Braunschweiger Teamärzte Peter Harms und Jürgen Stumm. Amphetamine waren auch im DDR-Fußball beliebt, wie ein Analyse-Protokoll des Doping-Labors Kreischa vom 17. November 1983 enthüllt. Das Institut hatte gleich zwölf Kicker des BFC Dynamo Dresden positiv auf Amphetamin und Methamphetamin getestet.

2004 trat der noch immer amtierende Trainer von Arsenal London, der Franzose Arsène Wenger, an die Öffentlichkeit und behauptete, in europäischen Spitzenclubs werde systematisch mit Erythropoetin manipuliert. Auf Nachfragen vermied er zwar, Ross und Reiter zu nennen. Aber im November desselben Jahres wurde der Teamarzt des italienischen Fußballmeisters Juventus Turin, Ricardo Agricola, wegen Verabreichung gesundheitsgefährdender Medikamente zu 22 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Agricola von 1994 bis 1998 Spielern des Vereins systematisch Epo verabreicht hatte. Keiner der Spieler war je positiv getestet worden.

Wegen Dopings verurteilt wurden dagegen ehemalige Weltklasse-Kicker wie die Niederländer Frank de Boer und Edgar Davids, der Franzose Christophe Dugarry sowie der Portugiese Fernando Couto, denen die Einnahme des anabolen Steroids Nandrolon nachgewiesen wurde. Nandrolon war um die Jahrtausendwende im Fußball weit verbreitet.

Maradona wurde 1994 von der WM ausgeschlossen

Der berühmteste Dopingsünder im Fußball saß bei der WM in Südafrika auf der Bank: Argentiniens Trainer Diego Armando Maradona. 1991 wurde dem Superstar bei einer Dopingprobe die Einnahme von Kokain nachgewiesen. Drei Jahre später platzte bei der WM in den USA eine Bombe, als Maradona bei einer Dopingkontrolle positiv auf gleich mehrere Substanzen, unter anderem Ephedrin, getestet wurde. Maradona wurde vom Turnier ausgeschlossen.

Kritiker werfen der FIFA und ihren nationalen Fußballverbänden vor, Dopingtendenzen in ihrem Sport nur halbherzig zu bekämpfen. Immerhin gehören zum Dopingkontrollsystem im internationalen Fußball inzwischen nicht mehr nur Wettkampf-, sondern auch zunehmend Trainingskontrollen. Alle Spieler eines A-Kaders haben ihren voraussichtlichen Aufenthaltsort für das jeweils kommende Vierteljahr stets bei der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) anzugeben. "Diese Daten müssen die Spieler im Internet laufend ergänzen", erklärt Mannschaftsarzt Professor Tim Meyer. Kontrollen finden sowohl in den Vereinsmannschaften als auch im Nationalteam statt.

Weitere Berichte zur FIFA WM 2010 und Informationen zum WM-Tippspiel finden Sie auf unserer Sonderseite

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