Fragwürdig

Verletzungsdaten im deutschen Profifußball

Ist ein Spieler verletzt und wenn ja, wie schwer? Wie lange fällt er dann aus? Fragen, die Betreuerteam und Fans umtreiben. Und leider häufig falsch beantwortet werden. Von Birgit Frohn

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Im Profifußball werden zunehmend mehr medienbasierte Verletzungsanalysen durchgeführt – ihr Aussage wert ist allerdings zweifelhaft.

Im Profifußball werden zunehmend mehr medienbasierte Verletzungsanalysen durchgeführt – ihr Aussage wert ist allerdings zweifelhaft.

© imago / MIS

NEU-ISENBURG. In Kürze geht es erneut darum, welches Team sich als Weltbestes bezeichnen darf. Die Spannung steigt rund um den Globus. Doch auch im ganz normalen Saisonbetrieb wird dem Fußball ein enormes Interesse in der breiten Bevölkerung zuteil – und damit der Medien. Das betrifft nicht nur die Tore, sondern auch die Verletzungen, denen die Spieler erliegen.

Die Sammlung der Daten darüber boomt: "Im Profifußball werden zunehmend mehr medienbasierte Verletzungsanalysen durchgeführt" berichtet Dr. Volker Krutsch, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde an der Universitätsklink der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Nürnberg. Der Wahrheitsgehalt der Verletzungsstatistiken ist allerdings fraglich: "Bislang ist keine Validierung dieser Mediadaten erfolgt".

Der Wahrheit auf der Spur

Was ist also dran an den Verletzungsdaten im deutschen Profifußball, die über die Medien verfügbar sind? Dieser Frage ging Dr. Krutsch mit seinem Team in einer prospektiven Kohorten-Studie nach. Insgesamt wurden dafür 240 Spieler aus jeweils vier Mannschaften in der 1. und 2. Bundesliga rekrutiert. Die in den Medien veröffentlichten Angaben wurden pro Spieler und Mannschaft über die Saison 2016 hinweg online erfasst: anonymisiert nach Art und Anzahl der Verletzungen sowie deren Diagnose.

Am Ende der Saison analysierten die jeweiligen Teamärzte die gesammelten Angaben und "bestätigten diese als korrekt oder nicht", so Dr. Krutsch. Richtig traf nur in 47 Prozent der Fälle zu.

Interessante Befunde – in vieler Hinsicht

Die durchschnittliche Prävalenz an Verletzungen betrug knapp 57 Prozent. Dabei zeigte sich laut Dr. Krutsch in der 1. Liga "eine tendenziell höhere Verletzungsrate". Allerdings: Die Validität der Verletzungsdaten und korrekten Diagnosen ist in der 2. Liga höher. Überraschend ist ferner, welche enormen Unterschiede zwischen den einzelnen Teams existieren: Die Validität variiert zwischen rund 73 und 28 Prozent. "Ein enormes Gefälle", so Dr. Krutsch.

Weiterhin interessant: Der Wahrheitsgehalt der Angaben hängt von der Art der Verletzung ab. So ist etwa die Validität bei Verletzungen am Knie mit 78 Prozent deutlich höher als bei jenen am Fuß mit 46 Prozent. Insgesamt steigt die Validität nach den Worten von Dr. Krutsch mit der Schwere der Verletzungen: "Angaben zum Kreuzbandriss sind beispielsweise zu hundert Prozent valide". Das gilt auch für Frakturen der oberen Extremitäten.

Fazit: Daten kritisch bewerten

Die Analyse der Daten lässt Dr. Krutsch zu einer kritischen Bewertung kommen: "Eine akzeptable Validität der Daten ist nur bei schweren Verletzungen festzustellen". Zudem ist die Validität der Verletzungsdaten stark abhängig vom Team. "Dies wird natürlich mit von der jeweiligen Pressearbeit beeinflusst".

Und, in der 1. Liga war die Rate der nicht-veröffentlichten Verletzungen de facto deutlich höher. Für Dr. Krutsch auch deshalb gut nachvollziehbar, weil "Verletzungsdaten persönliche Daten sind. Da stellt sich die Frage, ob diese veröffentlicht werden sollten". Es grüßt der Datenschutz.

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