Patagonien - durch den Wind ans Ende der Welt

Gewaltige Gletscher, endlose Ebenen, bizarre Felsgipfel, türkisblaue Seen - der menschenleere Süden von Chile und Argentinien führt Reisende gewiss in unberührte Natur und gelegentlich auch zu sich selbst.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:

Wer hat diese Landschaft gemalt? Ist es ein van Gogh oder ein Manet? Fast unwirklich farbenfroh und kontrastreich schillern Berge, Flüsse und Seen im Nationalpark Torres del Peine im glasklaren Licht des äußersten Süden Chiles. Gelbgrünes Moos umrahmt den türkisfarbenen Lago Pehoe. Dahinter ragen die schwarz-weißen Kalk- und Granitgipfel der Cuernos del Peine empor. Der Wind jagt Wolkenfetzen über den klaren Himmel. Flugs verändern sie ihre Gestalt. Kein Wunder, wenn die Menschen hier an Ufos glauben.

Araukanienbäume - ein Wahrzeichen Patagoniens

Das Wolkenschauspiel lässt sich stundenlang beobachten. Im gelbgrünen Moos, das kuschelweich aussieht, liegt es sich jedoch äußerst unbequem. Die Polster sind hart wie Stein. Weil sie gutes Brennholz abgeben, nennen die Chilenen sie Feuerholz aus Stein. Anderswo vom Aussterben bedroht, wölbt sich das extrem langsam wachsende Moos in Chiles bekanntestem Naturreservat über riesige Flächen. Ihre Härte kommt den mehr als hundertjährigen Pflanzen im rauen patagonischen Wind zupass.

Gegen die anhaltend steife Brise tragen auch die urzeitlich anmutenden Araukarienbäume dicke ledrige Nadeln. Nur in Patagonien wachsen sie noch in freier Natur. Als Kulturpflanzen dagegen schmücken sie immer mehr europäische Gärten.

Wer die Gipfel der Torres del Peine oder der benachbarten Cerro Torre und Fitz Roy erklimmen will, muss durch den Wind, der stets mit schnellen Wetterwechseln droht. Deshalb gilt das argentinische Fitz Roy-Massiv, trotz seiner bescheidenen Höhe von rund 2800 Metern, als eines der anspruchsvollsten Bergsteigergebiete der Erde. Im Westen des Fitz Roy breitet sich das patagonische Inlandeis aus.

Die größte zusammenhängende Eismasse abseits der Pole hat noch nie ein Mensch durchquert. Ihre Ränder schieben sich als nachwachsende Gletscher aus den Bergen in umliegende Seen. Der größte und bekannteste ist der Perito Moreno Gletscher im argentinischen Nationalpark Los Glaciares. Aus nächster Nähe lässt sich vom Schiff aus beobachten, wie von seiner fünf Kilometer breiten und 60 Meter hohen Wand tiefblaue Eisbrocken unter Getöse in den Lago Argentino stürzen und als pittoreske Eisberge weitertreiben.

Die Bergkette der südlichen Anden teilt Patagonien in zwei völlig unterschiedliche Landschaften. Im chilenischen Westen greift kalter Regenwald Raum. Wanderwege müssen im Zwei-Wochen-Abstand mit der Machete erneuert werden. Sonst verlieren sie sich unter Bambus, Südbuchen, Riesenrhabarber und mannshohen Fuchsien zwischen Farnen, Flechten und Moosen.

So sehr der Pflanzenwuchs im feuchten Westen drängt, so sehr hält er sich auf der trockenen Ostseite Patagoniens zurück. Urwälder weichen einer kargen Steppenlandschaft. Nur eines bleibt gleich: Unaufhörlich fegt der Sturm über die weiten Ebenen der argentinischen Pampa.Der flache Grasbewuchs schillert mal grün, mal ocker, dann rostrot und plötzlich fast schwarz.

Wer glaubt, das öde Land sei unbesiedelt, wird jedoch durch Tiersperren und Stacheldrahtzäune eines besseren belehrt: Einen Quadratkilometer braucht ein Schaf, um hier satt zu werden. Große Schaffarmen, Estancias genannt, haben mitunter 40 000 Quadratkilometer Steppenlandschaft zwischen sich und ihren Nachbarn. Die Zäune werden noch heute von berittenen Gauchos gepflegt. Mit Glück begegnet man ihnen auf den endlosen Schotterpisten durch die Pampa.

Andere Pampabewohner zeigen sich am Wegrand garantiert, so zum Beispiel Mini-Gürteltiere und verschiedenste Raubvögel. Wie die Pflanzen haben sich auch die Tiere mit dem ständigen Sturm arrangiert. Der Kondor macht ihn sich zunutze, breitet am Felsrand die schwarz-weißen Flügel aus und lässt sich sanft nach oben tragen. Kein Paraglider würde es wagen, bei diesen Sturmstärken abzuheben. Doch die mächtigen Aasfresser beherrschen ihre Gleittechnik, und ziehen ruhig weite Kreise, bis sie Beute erspähen. Ein willkommenes Opfer ist ein verletztes Guanako, das von seiner Herde zurückgelassen wurde. Die Herden der rehäugigen kleinen Kameltiere bilden gegen Angreifer eine Allianz mit den Straußenvögeln Patagoniens, den Nandus. Die perfekt getarnten Nandus haben ein scharfes Auge, Guanakos eine gute Nase. Gemeinsam erkennen sie so mitunter auch einen Puma gegen den Wind.

Einsamkeit der Pampa hat einen besonderen Reiz

Mitten im Nirgendwo der Pampa tut sich überraschend die malerische Felsenschlucht des Rio de las Pinturas (Fluß der Gemälde) auf. Die Strichzeichnungen von Guanakos und Negativformen von Händen an den Felswänden der Cuevas de los Manos (Höhle der Hände) zählen zum Unesco-Weltkulturerbe. Besonderen Schutz brauchen sie in dieser abgelegenen Ecke der Welt nicht. Die Luft ist sauber und Vandalismus in dieser menschenleeren Gegend äußerst unwahrscheinlich.

Am Abend entfaltet die Pampa einen besonderen Zauber. In der langen, späten Dämmerung verstummt irgendwann der Wind. Kein Geräusch ist dann mehr zu hören, keine Bewegung zu spüren, kein Lebewesen zu sehen. Diese Abwesenheit von allem wirft jeden auf sich selbst zurück. Es ist so still, dass man das eigene Blut in den Adern pulsieren hört.

Kontrastprogramm mit südamerikanischem Flair bietet die südlichste Großstadt der Welt. Unter den bunten Dächern von Punta Arenas leben über 100 000 Einwohner. Nochmal so viele Magellanpinguine ziehen in der Umgebung ihre Jungen auf. Vom Hafen aus zeigt sich jenseits der Magellanstraße die Silhouette der Insel Feuerland. Dort am sprichwörtlichen Ende der Welt ist auch der Wind zu Ende.

Tipps für Patagonien

Patagonien lässt sich auf eigene Faust mit einem Miet-Jeep entdecken. Für die weitläufige und vielseitige Landspitze Südamerikas sollte jedoch genug Zeit eingeplant werden. Wer in kurzer Zeit viel vom Land sehen will, ist mit einer organisierten Gruppenreise besser beraten. Dreiwöchige Trekkingreisen bieten zum Beispiel folgende deutsche Veranstalter an: Gaucho Tours, Intakt Reisen, Wikinger Reisen. Etliche Veranstalter bieten auch kürzere Rundreisen oder individuell buchbare Reisebausteine. Die beste Reisezeit ist von Oktober bis März.

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