"Ich sprühe alles ein: mich, die Kinder, den Garten"

WASHINGTON (dpa). Der Sommer naht, und Jean Dolfis weiß, daß ihre Tage im Freien gezählt sind. "Noch ein paar Wochen, und ihr seht mich nicht mehr draußen", sagt die 73jährige und blickt wehmütig auf ihre noch zarten Tomatenpflanzen. "Ich will schließlich nicht bei lebendigem Leib aufgefressen werden." Dolfis lebt im Washington, dem Zentrum der Macht, das so vielen Weltereignissen seinen Stempel aufdrückt. Aber der Goliath hat seinen David gefunden: Aedes albopictus, die Tigermücke.

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1985, so vermuten Wissenschaftler, wurde die Tigermücke aus Japan in einer Schiffsladung von Autoreifen in die USA eingeschleppt. Dann breitete sie sich in über 20 Bundesstaaten aus. Vor allem in den Gärten und auf den Terrassen im Großraum Washington. Hier hat sich der Blutsauger mit dem charakteristischen schwarz-weiß gestreiften Körper zu einer derartigen Plage entwickelt, daß immer mehr Menschen im Sommer aus ihren Gärten flüchten und die Freizeit in den vier Wänden verbringen.

Die Alternative sind von Stichen übersäte Arme und Beine, etwa 25 zählte Jean Dolfis im vergangenen Jahr nach jedem Ausflug auf den heimischen Rasen, bis sie sich geschlagen gab und entschied, den Gartenstuhl dauerhaft gegen den Wohnzimmersessel einzutauschen.

Und Dolfis ist kein Einzelfall. In der Yuma Street, in der sie lebt, leiden so viele Menschen unter den Stichen der Mücke, daß Sommer-Barbecues im Freien schon fast zu einer Seltenheit geworden sind. Wer draußen ist, trägt entweder trotz Hitze langärmelige Kleidung und lange Hosen, oder er kratzt und klatscht - letzteres mit geringem Erfolg, denn die Tigermücke, die das Chikungunya- und Dengue-Virus übertragen kann, ist schnell. "Sie ist enorm flink, man kann sie kaum erwischen", zitiert die "Washington Post" Jorge Arias, Chef für Moskito-Kontrolle im Bezirk Fairfax bei Washington.

Die Tickermücke nähert sich in aller Stille, ohne Summen und Surren, sie sticht und saugt bei Tag und Nacht, mag auch große Hitze. Die Eier werden bevorzugt dort gelegt, wo man sie am wenigsten vermutet: in Falten von Plastikplanen zum Abdecken für Gartengrills etwa, in Blumenuntersetzern, Flaschenverschlußkappen und in den Rillen von Autoreifen.

Ist die Plage insbesondere in den vergangenen drei Sommern immer größer geworden, so kommt sie in diesem Jahr auch noch früher. Insektenforscher haben festgestellt, daß die Larven schon so weit entwickelt sind, daß sich die ersten Mückenschwärme bereits Mitte Mai in Washington an den gedeckten Tisch setzen werden, einen halben Monat früher als gewöhnlich.

So häufen sich in den Gartengeschäften und Baumärkten der US-Bundeshauptstadt bereits Sprays, Cremes, Spezialkerzen und Lampen, die Mücken anziehen und sie dann verbrennen sollen. Aber Leute wie Jean Dolfis oder Allison Hudgins können ein Lied davon singen, daß die kleinen "Sucker" am Ende immer die Sieger bleiben.

"Ein paar Minuten draußen, und ich habe die erste Mücke an meinen Beinen", schilderte Hudgins in der "Washington Post". Dann beginne das Spiel: "Wie kann ich die nächste erledigen?" Familie Hudgins lebte vorübergehend in Westafrika und glaubte den dort üblichen abendlichen Insektenschwärmen entkommen zu sein, als sie nach Washington umzog. Was sie am neuen Wohnort vorfand, war ein Mückenproblem "von fast biblischen Ausmaßen".

Ungezählte leere Spraydosen später ("ich sprühe alles ein: mich, meine Kinder, den Garten") zieht Hudgins mit ihrer Familie jetzt nach Panama: Hier könnten die Viecher auch nicht schlimmer sein als in Washington, wo es in Kürze wieder heißt: Das Büfett ist eröffnet.

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