"Bei Verletzungen fitspritzen - das gibt’s bei seriösen Leuten nicht"

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Im EM-Spiel gegen die Niederlande trat Hollands Abwehrspieler Jaap Stam im Zweikampf mit dem Fuß gegen den Kopf von Deutschlands Sturmspitze Kevin Kurany. Der Stürmer ging zu Boden. Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt rannte mit einem Koffer in der Hand aufs Spielfeld und behandelte den Stuttgarter Nationalspieler.

Doch was kann der Arzt am Spielfeldrand im Zweifelsfall überhaupt ausrichten?

Die Profis seien erfahren genug, um ihre Situation im Spiel nach einer Verletzung einzuschätzen, meint Götz Dimanski, Werder Bremens Mannschaftsarzt.

"Im Prinzip gibt es nur einen Fall, in dem ich als Arzt den Sportler vom Feld beordern muß," so Dimanski, "und zwar bei Kopfverletzungen mit Bewußtseinstrübung." Denn dann könne der Spieler seine Lage nicht mehr selber einschätzen, so daß ein Arzt eingreifen muß. "Ansonsten muß der Fußballer entscheiden, ob er noch weiter machen kann oder nicht", so Dimanski, "ich kann ihn nur in der Entscheidungsfindung unterstützen."

Doch meistens müssen Dimanski und seine Kollegen "glücklicherweise nur Pferdeküsse behandeln", sagt der Werder-Arzt. So führt er in seinem Koffer "keine Wundermittel oder zweifelhafte Spritzen mit". Natürlich gebe er auch Schmerzmittel, "wenn sich etwa ein Spieler den kleinen Zeh gebrochen hat und spielen will, das kann man machen, aber Fitspritzen - das gibt’s bei seriösen Leuten nicht."

So hat Dimanski in seinem Koffer nur Eisspray, sterile Kompressen, Tupfer, eine Zahnbox, um ausgeschlagene Zähne zu bergen, Tapes und Augenkompressen. "Am Spielfeldrand steht außerdem immer ein Notfallkoffer bereit samt Sauerstoffgerät", so Dimanski, "aber diese Ausrüstung habe ich noch nie einsetzen müssen." Die wesentliche Arbeit, die medizinische Betreuung und Behandlung der Spieler geschehe zwischen den Spielen, erklärt der Werder-Arzt. "Nach dem Spiel achte ich vor allem auf den Flüssigkeitsausgleich", so Dimanski, "außerdem mit abgestimmten Plänen auf kohlehydratreiche Ernährung."

Während des Spiels hat aber der Mannschaftsarzt relativ wenig Möglichkeiten, einzugreifen. Dennoch kann er dem Spieler unter Umständen die Gesundheit erhalten und dem Verein viel Geld sparen. "Bei Verletzungen im Spiel muß ich die vitale Bedrohung beherrschen", sagte Dimanski, "das heißt zuvor schnell und richtig zu diagnostizieren, was mit dem Verletzten eigentlich los ist."

Dann heißt es, verrenkte Schultern wieder einzurenken, gebrochene Glieder schmerzfrei zu lagern, Blutungen zu stoppen. Sportarzt Uwe Tegbur vom Olympia-Stützpunkt Hannover schätzt, daß die Verletzungsdauer durch richtige Sofortbehandlung um 50 Prozent verkürzt werden kann.

Bei Kurany hat Müller-Wohlfahrts Eingreifen offenbar geholfen. Nur knapp zwei Minuten spielte die deutsche Mannschaft mit neun Feldspielern. Dann war der Stuttgarter wieder dabei. Christian Beneker

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