Bei diesem Sportfestival sind alle, die mitmachen, Sieger

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Von Silvia Haouichat

Ein Jubelschrei aus 1500 Kehlen erfüllt die Sporthalle in Frankfurt am Main, als das 3. Deutsche Down-Sportlerfestival endlich beginnt. Erwartungsfroh sehen die etwa 350 Sportler von zwei bis 44 Jahren aus ganz Deutschland ihrer "Olympiade" entgegen. Ein neuer Rekord für das Sportfest, das jetzt fünfmal so viele Teilnehmer und siebenmal so viele Besucher verzeichnet wie vor zwei Jahren.

"Wir sind jedes Mal dabei, weil es Ansporn und Bestätigung für unseren Sohn ist und weil wir viele Freunde wieder treffen", sagt der Vater des 15jährigen Clemens Voigt aus Leipzig. Der mogelt sich gerade zum wiederholten Male in die Reihe an der Weitsprunggrube und freut sich diebisch darüber.

Das Ergebnis ist gar nicht wichtig, denn wenn's mit der Weite hapert, wirft man sich eben bäuchlings in den Sand. Weil es Clemens so gut gefällt, wird die Familie wie einige andere im September auch nach Magdeburg fahren, wo das Fest wiederholt wird.

Nach Frankfurt sind die Teilnehmer geradezu in Scharen gekommen. Die Initiative Down-Syndrom Kreis Unna e.V. allein zum Beispiel hat etwa 30 Kinder mit Eltern in Bussen nach Hessen gebracht.

Fröhlich, laut lachend, motiviert, kein bißchen scheu, schaffen die Kinder eine ausgelassene und heitere Atmosphäre, der sich keiner der Gäste und der Helfer entziehen kann. Großes Vorbild dabei: Bobby Brederlow, Schauspieler mit Down-Syndrom und Schirmherr des Festivals. Bobby, sonst begeisterter Tänzer, Schwimmer und Kegler will heute weitwerfen, weitspringen und die 100-Meter-Distanz laufen.

Zugegeben, seine Lieblingssportart ist Play-Station-Spielen, verrät Bruder Gerd Brederlow. Bobby guckt verschmitzt, Kommentar: "Fingerübungen!" Er hat eine weitere Disziplin für sich entdeckt: "Grips-Gymnastik". Bobby lernt nämlich seit einiger Zeit Englisch, gut für den Kopf, sagt er. Im normalen Leben arbeitet er als Teppichweber in der Werkstatt der Lebenshilfe München.

Kreativ tätig zu sein ist für viele Menschen mit Down-Syndrom ein Elixier. Meist seien sie sogar kreativer als Gesunde. "Sie haben einen ursprünglicheren Zugang zur Kunst", sagt Anja de Bruyn von der Bundesvereinigung Lebenshilfe. In der Informationsveranstaltung für Eltern "KunstStück!" rät sie, wie und wo Kinder sich kreativ entwickeln können, "Kunst baut Brücken".

Professor Max Kläger von der Universität Heidelberg bestätigt mit eindrucksvollen Beispielen, daß Menschen mit Down-Syndrom künstlerisch herausragend sind. Parallel zum Sportfest gibt es deshalb einen Malwettbewerb zum Thema "Kunst und Sport".

Unterdessen geben in der Halle die Dribbel-Künstler ihr Bestes, krönen die Vorstellung mit einem gewaltigen Schuß ins Fußballtor. Bobbys Schauspielerkollege Henning Baum, der charmante Fernsehkommissar aus der Sat.1-Serie "Mit Herz und Handschellen" und ebenfalls Schirmherr der Veranstaltung, gibt zu: "Im Moment bin ich viel unterwegs. Da reicht es oft nur zu ein paar Liegestützen im Hotelzimmer. Mit diesen Sportlern mich zu messen, könnte schwierig werden."

Und in der Tat: Er kommt beim Tischtennis-Turnier ganz schön ins Schwitzen. Der neunjährige Marvin aus Hagen blättert grinsend die Anzeigetafel um, vielleicht rutscht dabei auch mal ein Pünktchen mehr für den Gegner durch. Spätestens seit heute will er auf alle Fälle auch lernen, Tischtennis zu spielen.

"Sport hat die Gesundheitssituation von Menschen mit Down-Syndrom wesentlich verbessert", sagt Professor Etta Wilken von der Universität Hannover. Sie leiden weniger unter Übergewicht und Gelenkproblemen, wenn sie regelmäßig Ausdauersport (möglichst eine halbe Stunde täglich joggen, walken, Rad fahren) betreiben.

Sport hat einen positiven Effekt auf Stoffwechsel und geistige Fähigkeiten. Wilken betont, daß das Down-Sportlerfestival besonders motiviert, die körperlichen Anstrengungen zu verkraften. Die seien bei gleicher Leistung durch andere Sportler bei Menschen mit Trisomie 21 wesentlich höher.

Fleißig trainiert hat auch Stefanie Mause. "Das schaff' ich locker", sagt die 31jährige selbstbewußt und meint damit den 100-Meter-Lauf. Nebenbei hat sie noch ein Bild mit Judokämpfern für den Malwettbewerb abgeliefert. Beim 50-Meter-Lauf der Zwei- bis Sechsjährigen reichen Eltern oder Geschwister den Kleinen noch die Hand, damit sich keines der Kinder verläuft.

Beim 100-Meter-Lauf der Zwölf- bis 15jährigen dagegen bleibt schon mal der ein oder andere Begleiter zurück, weil ihm die Puste ausgeht. Plötzlich mitten im Lauf: Souverän bleibt Stefanies Mitläuferin stehen, um sich - ganz wie die Profis - von den Zuschauern feiern zu lassen. Als die "La-Ola-Welle" abgeklungen ist, läuft sie die restlichen 20 Meter zum Ziel. Ein Symbol für das Motto des diesjährigen Festes "Wir gehören dazu". Was bedeutet auch schon Zeit?

Am Abend gibt es ein Fest mit Buffet, Prämierung der Bilder und Siegerehrung. Natürlich sind alle, die teilgenommen haben, auch Sieger. Auf die Party freut sich Bobby schon riesig. Dann kann er zur Musik der integrativen Band "Conny P." noch mal so richtig abtanzen.

Grund zur Freude hat auch Anne Schardey von der Holzkirchener Hexal Foundation. Sie hat das Festivals initiiert. Wegen des riesigen Erfolges möchte sie das Sportfest im nächsten Jahr gerne international ausrichten. Wenn man einmal in die glücklichen Gesichter von Kindern und Eltern geschaut hat, kann man dieses Vorhaben nur unterstützen.

Auf Wiedersehen in Magdeburg

"Wir gehören dazu": 3. Deutsches Down-Sportlerfestival in Magdeburg Termin: 24. September 2005 Anmeldeschluß: 30. August 2005 Anmeldung: Andrea Mest von der Agentur medandmore per E-Mail: alexandra.mest@medandmore.de oder jeden Dienstag und Mittwoch von zehn bis 18 Uhr unter der Telefonnummer 061 72 / 96 61 25 Weitere Informationen: www.down-info.de, www.hexal.de

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