Wenn Taucher sich verletzen, dann meist im Ohr

HEIDELBERG (bd). In Deutschland gibt es mehr als eine Million Sporttaucher. Von ihnen wird in Tauch-Stationen und -Schulen meist eine Untersuchung auf Tauchtauglichkeit verlangt. Um solche Untersuchungen vornehmen zu können, sind tauchmedizinische Kenntnisse und im Idealfall auch eigene Taucherfahrungen nötig. Ein Überblick über die gesundheitlichen Risiken des Sports ist jetzt beim 2. Tauchmedizin-Symposium in Heidelberg gegeben worden.

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Untersuchung zur Tauchtauglichkeit sollten bei unter 40jährigen alle drei Jahre vorgenommen werden, bei Älteren jährlich. Sie umfassen nach Angaben der Tauchmediziners Dr. Christoph Klingmann ein Belastungs-EKG, eine gründliche Untersuchung von Herz, Lunge und HNO-Bereich sowie eine ausführliche Anamnese, etwa ob Asthma oder Allergien vorliegen.

Wer schon einen Trommelfellschaden hat, sollte nicht mit dem Tauchen beginnen, bevor dieser behoben ist. Wer in der Tiefsee mit Atemgerät tauchen möchte, muß zudem psychisch stark sein. Panische Reaktionen, die zum schnellen Auftauchen mit entsprechendem Überdruck in der Lunge führen, können tödlich sein. Schwere Unfälle treten allerdings insgesamt nur bei einem von 10 000 Tauchgängen auf.

Alle Tauchphasen bergen spezielle gesundheitliche Risiken

Gesundheitliche Probleme beim Tauchen sind zu 80 Prozent im Hals-Nasen-Ohren-Bereich lokalisiert, sagte Klingmann, der an der HNO-Klinik der Universität Heidelberg tätig ist, zur "Ärzte Zeitung". Die Klinik werde jährlich von mehr als 100 Sporttauchern mit HNO-Problemen aus dem In- und Ausland aufgesucht.

In allen Tauchphasen kann es zu Problemen kommen. Kritisch ist vor allem das Tauchen in den ersten zehn Metern. Denn in dieser Tiefe verdoppelt sich beim Abtauchen der Druck (von ein auf zwei Bar). Lunge, Mittelohr und Nasennebenhöhlen werden dabei entsprechend auf die Hälfte ihres Volumens komprimiert. Zum Vergleich: Damit sich der Druck erneut verdoppelt (von zwei auf vier Bar) muß ein Taucher weitere 20 Meter abtauchen.

Die meisten Taucher, die sich in der Heidelberger Taucher-Sprechstunde vorstellen, haben Probleme beim Abtauchen - also in der Kompressionsphase. Kann der dabei entstehende Druck nicht über die Eustachsche Röhre ausgeglichen werden, weil etwa bei Atemwegsinfekten die Tuben verstopft sind, so kann es zu Paukenergüssen und Einblutungen im Mittelohr bis hin zu Trommelfellrupturen kommen.

Auch in den Nasennebenhöhlen als starren luftgefüllten Hohlkörpern sind als Folge des Wasserdrucks Schmerzen und Einblutungen häufig, besonders wenn der Taucher eine Sinusitis hat.

Auf keinen Fall dürfen Ohrstöpsel verwendet werden

Auch Aufenthalte in der Zieltiefe (Isopressionsphase) bergen Gefahren. Ab 30 Metern Tiefe kann es zum Tiefenrausch kommen. Der erhöhte Stickstoff-Partialdruck führt zu einer Art Stickstoffnarkose, die Taucher euphorisch macht. Unüberlegte Handlungen können dann zur Unfällen führen. Wichtigste Gegenmaßnahme ist langsames Auftauchen.

Nach langen oder häufigen Tauchgängen treten oft Gehörgangsentzündungen auf. Der natürliche Schutzfilm im Ohr wird von Wasser aufgeweicht. Ein kräftiger Wind nach dem Auftauchen begünstigt Infektionen. Auf keinen Fall dürfen aber Ohrstöpsel zum Schutz vor Infekten verwendet werden. Weil dadurch die Luft nicht entweichen kann, wird ein Druckausgleich verhindert; Trommelfellverletzungen bis zur Ruptur können die Folge sein.

Vor allem beim Auftauchen (Dekompressionsphase) sind besonders schwerwiegende Komplikationen möglich. Die - abhängig von der Tiefe und Länge des Tauchgangs - gelöste Menge des Stickstoffs im Blut kann bei zu schnellem Auftauchen nicht über die Lunge abgeatmet werden.

Das Gas kann aus Körpergewebe wie Knochen oder aus dem Blut ausperlen und zu lokalen Schäden bis hin zu lebensbedrohlichen Gasembolien führen (Dekompression- oder Caisson-Krankheit). Zu schnelles Auftauchen kann außerdem zum Lungenriß führen - wenn die sich beim Druckabfall rasch ausdehnende Luft nicht schnell genug aus der Lunge ausgeatmet wird.

Ob auch dauerhafte Hörschäden durch das Tauchen entstehen, wird immer wieder diskutiert. In der Heidelberger Hörstudie wurde das Hörvermögen bei 60 Sporttauchern und bei gleichaltrigen Probanden untersucht. Unterschiede zwischen beiden Gruppen habe es nicht gegeben.

Tauchmedizinische Untersuchungen dürfen übrigens alle Ärzte machen. Allerdings wünschen sich Tauchexperten dafür eine spezielle tauchmedizinische Ausbildung, deren Inhalte von der Fachgesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GTÜM e.V.) in Deutschland vorgegeben wird (Infos: www.gtuem.org).

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