"Es wird auch im Fußball versucht zu tricksen"

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Von Jürgen Ruf

EMMENDINGEN. Professor Toni Graf-Baumann zeigt Doping-Sündern bei der Fußball-Weltmeisterschaft die Rote Karte. Der Arzt aus dem südbadischen Emmendingen ist Chef der Dopingkommission des Fußball-Weltverbandes FIFA. Er soll dafür sorgen, daß die WM sauber bleibt. Wenn der 60jährige ins Stadion kommt, müssen die Fußballer Urinproben abgeben.

"Es wird auch im Fußball versucht zu tricksen", sagt der gebürtige Bayer, der seit 1994 Chef der damals neu gebildeten FIFA-Dopingkommission ist. Seit dieser Zeit müssen sich die Mannschaften, die an internationalen Turnieren teilnehmen, strengen Regeln unterwerfen. Graf-Baumann verantwortet die Kontrollen, auch bei der Fußball-WM im eigenen Land.

Weltweit hat die FIFA unter der Regie des Südbadeners derzeit 180 Doping-Kontrolleure im Einsatz. 16 von ihnen werden während der WM ein Auge auf die Spieler haben.

Auch Graf-Baumann wird in den Stadien auf die Einhaltung der medizinischen Regeln achten. Nach den Spielen wird er testen, ob die Sportler unerlaubte Mittel eingenommen haben. Die Urinproben werden im Labor untersucht, das Ergebnis liegt spätestens 24 Stunden nach der Urinabgabe vor.

In den Trainingslagern und Mannschaftsquartieren organisiert Graf-Baumann unangemeldete Kontrollen. Die Strafen sind hart: Ist ein Spieler gedopt, muß er mit einer langjährigen Sperre rechnen. Dem Verband, der den Spieler eingesetzt hat, drohen Geldstrafen.

"Fußball ist keine klassische Ausdauer- und Kraftsportart. Fußball ist eine Mischsportart aus Koordination, Schnelligkeit, Ausdauer und Kraft", sagt Graf-Baumann. Die Einnahme von unerlaubten Medikamenten zur rasanten Steigerung der körperlichen Möglichkeiten, die in anderen Sportarten immer wieder für Schlagzeilen sorgen, sei im Fußball daher eher selten. "Leistungssteigernde Mittel können im Fußball nicht gezielt eingesetzt werden."

Dennoch gehen dem Mediziner und seinen Kontrolleuren immer wieder Dopingsünder ins Netz. In den meisten Fällen wurden von den Profispielern stimulierende Stoffe eingenommen. "Im Urin der Spieler finden sich dann beispielsweise Spuren von Cannabis oder Marihuana." Diese Rauschgifte hätten zwar keine leistungssteigernde Wirkung, dennoch seien sie verboten. "Wegen der sozialen Verantwortung, die der Sport hat, stehen Drogen jeder Art auf der Liste der verbotenen Mittel", sagt der Anästhesist.

Schon vor der WM haben die Doping-Experten der FIFA nach Angaben von Graf-Baumann jede der Mannschaften, die an den Qualifikationsspielen teilgenommen haben, mindestens ein Mal kontrolliert. "Mit den ersten Kontrollen haben wir vor zwei Jahren begonnen", sagt der 60jährige. Mittlerweile seien knapp 5000 Nationalspieler untersucht worden. In nur zwei Fällen sei Doping nachgewiesen worden. Beide Spieler hatten, bevor sie den Fußballplatz betraten, in ihrer Freizeit Rauschgift konsumiert.

Von den Mannschaftsärzten und Betreuern verlangt Graf-Baumann, daß sie vor der WM alle Medikamente, die sie verwenden, der FIFA melden. Ein Problem seien die Nahrungsergänzungsmittel. "Darin finden sich oft Wirkstoffe, die im Fußball und in anderen Sportarten verboten sind." Den Spielern rät er daher beim Essen und Trinken zur Wachsamkeit. "Jeder Spieler sollte genau darauf achten, was er zu sich nimmt", sagt der Mediziner. (dpa)

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