Im Internet kursieren ganze Trainingspläne mit Doping-Mitteln

FRANKFURT/MAIN (Smi/run). Insulin, Wachstumshormone, Erythropoetin (EPO) und Anabolika - auch im Breitensport wird offenbar gedopt, was der Markt hergibt. Sportmediziner wie Dr. Klaus Gerlach bekommen komplette Trainingspläne vorgelegt, in denen Präparate in ihrer jeweiligen Dosierung aufgeführt sind und die der Arzt danach begutachten soll, ob sie unbedenklich oder gesundheitsschädlich sind.

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Gerlach, Facharzt für Allgemeinmedizin mit Zusatzbezeichnung Sportmedizin und Chirotherapie, betreibt mit seinem Kollegen Dr. Stefan Rimoldi eine Gemeinschaftspraxis im rheinland-pfälzischen Weiler. "Häufig kommen ambitionierte Freizeitsportler in die Praxis und legen mir Medikamente vor, von denen sie dann wissen wollen, was davon geht und was eher nicht", berichtete er im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Oft seien Asthmamittel wie Clenbuterol darunter, dessen - überschätzte - anabole Wirkung genutzt werden soll, häufig aber auch Anabolika in hochdosierter Form, so Gerlach. Bekanntlich dürfen Beta-2-Agonisten (etwa Formoterol und Salbutamol) im Sport ausschließlich inhalativ und mit einer medizinischen Ausnahmegenehmigung eingenommen werden, und diese darf nur ein Pneumologe ausstellen. Auch darauf muss der Sportarzt einige Athleten hinweisen.

Gerlach, der auch als Diplomsportlehrer tätig gewesen ist, untermauerte im Gespräch seine Einschätzung, dass Hunderttausende von Freizeitsportlern in Deutschland Dopingpräparate konsumieren. "Die häufig genannte Zahl 200 000 halte ich eher für zu niedrig", sagte der 54-Jährige, der als Vereinsarzt auch die Profis vom Fußball-Bundesligisten FSV Mainz betreut. Für eine komplette "Medikamenten-Kur" über mehrere Monate - wie sie zum Teil über das Internet angeboten werde - zahlten Sportler bis zu 3500 Euro. Darunter sind Athleten aus vielen Disziplinen, und durchaus nicht nur Männer.

Kürzlich habe sich eine 23-jährige Frau an ihn gewandt und ihn im Hinblick auf mehrere Muskelaufbaupräparate um Rat gefragt. Als Bodybuilderin wolle sie weiter nach oben kommen. Um ihre Präparate zu finanzieren, verzichte sie sogar auf ihren Urlaub, erzählte sie Gerlach freimütig. Eine andere Anfrage an den Weiler Sportmediziner kam vom Leiter eines Kinder- und Jugendzentrums, der beobachtete, dass immer mehr Teenager in kürzester Zeit Muskeln aufbauten. Er wollte daher Gerlach für einen Vortrag zum Thema Doping gewinnen.

Zum Glück, so Gerlach, seien inzwischen aber auch viele Sportler sensibilisiert. Diese kämen, um nicht mit dem sportlichen Reglement in Konflikt zu geraten, selbst mit eher harmlosen Präparaten wie Nasensprays zu ihm in die Praxis und fragten ihn nach seiner Meinung. Oft würden ihm auch Nahrungsergänzungsmittel mit eher dunkler Herkunft vorgelegt. Dass Athleten von ihm selbst fragwürdige Präparate verlangten, sei dagegen eher selten.

Anders ist hier die Erfahrung eines südhessischen Arztes. Im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" schilderte er, dass Patienten ihn ganz konkret um seine ärztliche Unterstützung bitten. So betreue er zum Beispiel einen Bodybuilder, der - um seine Muskeln zu stärken - gerne Insulin gespritzt haben möchte. "Ich stehe dann vor dem Dilemma, dass er sich auch nach intensiven Gesprächen nicht davon abbringen lassen möchte und notfalls das Insulin über das Internet ohne Kontrolle beziehen wird."

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