HINTERGRUND

Schärfere Gesetze allein werden Dopingsünder kaum abschrecken - nur schärfere Kontrollen

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Verdacht auf Blutdoping vor der Tour de France 2006 - für Jan Ullrich das Ende der Karriere.

Verdacht auf Blutdoping vor der Tour de France 2006 - für Jan Ullrich das Ende der Karriere.

© Foto: dpa

Die Tour rollt. Und mit ihr die Angst vor einem neuen Skandal. Schärfere Gesetze sollen mögliche Dopingsünder abschrecken. Im französischen Albertville etwa läuft derzeit ein Verfahren gegen den früheren italienischen Radprofi Dario Frigo und seine Frau wegen Verstoßes gegen das französische Arzneimittelgesetz; der Staatsanwalt fordert für das Paar eine einjährige Haftstrafe zur Bewährung und eine Geldstrafe in Höhe von 36 000 Euro.

Auch in Deutschland ist die Dopinggesetzgebung im vergangenen Jahr verschärft worden. Ob die zusätzlichen Gesetze jedoch zum erwünschten Erfolg führen, bezweifeln Experten wie Dr. Markus Parzeller vom Institut für Forensische Medizin des Universitätsklinikums Frankfurt am Main. Ohne international gleiche Maßstäbe bei der Kontrolle, der Strafverfolgung und der Sanktionsmaßnahmen sei eine erfolgreiche Ächtung und Bekämpfung von Doping im Sport nicht möglich, so Parzeller (Rechtsmedizin 18, 2008, 189).

Auch Blutdoping ist jetzt verboten

Immerhin könnten die neuen Regelungen einige Schlupflöcher für Dopingsünder schließen. So waren bislang jene Arzneimittel, die unter der unmittelbaren fachlichen Verantwortung des Arztes hergestellt wurden, vom Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes (AMG) ausgenommen. Das schloss auch Blutzubereitungen ein. In der Konsequenz hieß dies, dass Blutdoping vom Verbot von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport gemäß Paragraph 6a AMG bis dato ausgeschlossen war.

Durch die Neufassung des Gesetzes fallen alle Arzneimittel, die von Ärzten zu Dopingzwecken im Sport hergestellt werden, nicht mehr unter die Ausnahmeregelung. Somit sind auch die Verschreibung und Anwendung von Methoden wie Blutdoping verboten. Zudem sieht die Neuregelung vor, die Warnhinweise in den Packungsbeilagen von Arzneimitteln mit Dopingpotenzial zu verschärfen. Das dient nicht allein der Prävention, sondern soll auch Dopingsündern erschweren, sich auf Nichtwissen herauszureden.

Eine weitere Änderung betrifft die Besitzstrafbarkeit. Bisher war der Besitz von Dopingsubstanzen straffrei, vorausgesetzt es handelte sich nicht um Betäubungsmittel wie etwa Kokain. Seit Ende vergangenen Jahres ist es nun auch verboten, Arzneimittel "in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport zu besitzen, sofern das Doping bei Menschen erfolgen soll". Mit dieser Regelung soll dem Handel mit Dopingpräparaten entgegen gewirkt werden. Verstöße können mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe und Geldstrafen geahndet werden. Dagegen bleibt der bloße Konsum von Dopingmitteln (sofern diese nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen) auch weiterhin straffrei.

Ab welcher Menge der Besitz von Dopingmitteln strafbar sein kann, regelt jetzt die "Verordnung zur Festlegung der nicht geringen Menge von Dopingmitteln" (DmMV).

Eine weitere Neuregelung betrifft die Arbeit des Bundeskriminalamtes. Bislang durfte das BKA bei Ermittlungen bei einem Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz nicht von sich aus, sondern nur mit Zustimmung des Innenministeriums tätig werden, und zwar ausschließlich auf Ersuchen der Bundesländer. Das fällt durch die neue Regelung weg.

In Fällen des international organisierten illegalen Handels mit Arzneimitteln nimmt das Bundeskriminalamt nun die polizeilichen Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung wahr. Hintergrund ist die Befürchtung, dass der internationale Handel mit Dopingpräparaten und Arzneimittelfälschungen in Zukunft eher wachsen wird. Das BKA kann länderübergreifend von den engen Kontakten mit spezialisierten ausländischen Ermittlungsbehörden profitieren.

Entscheidend ist, ob Behörden nun eher tätig werden

Trotz all dieser Neuregelungen sieht der Frankfurter Medizinrechtler Parzeller weiteren Handlungsbedarf. So bezweifelt er etwa, dass die Regelung, nach der der Besitz von Dopingmitteln strafbar sein kann, den gewünschten Erfolg erbringt. Denn bereits nach der alten Gesetzeslage hätten die Strafverfolger beim Auffinden größerer Mengen von Dopingsubstanzen tätig werden können. Dennoch hätten die Ermittlungsbehörden nur in Einzelfällen gehandelt - Verurteilungen seien die Ausnahme geblieben.

Auch die DmMV, also die Dopingmengen-Verordnung, werfe in ihrer jetzigen Fassung Probleme auf, vor allem wenn Präparate aus ihren ursprünglichen Verpackungen entnommen würden oder die Dopingsubstanzen aus dem Ausland stammten. Die neue Kennzeichnungspflicht von Arzneimitteln inklusive der Packungsbeilagen schließlich sei ebenfalls kritisch zu beurteilen: Im schlimmsten Fall habe sie sogar einen gegenteiligen Effekt und mache Sportler erst auf das dopingfähige Medikament aufmerksam, was im Freizeitsport zu neuen Problemen führen könne.

STICHWORT

Neue Antidopinggesetze

  • Am 1. November 2007 ist das Gesetz zur "Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport" in Kraft getreten. Damit wurden einzelne Passagen im Arzneimittelgesetz (AMG) und im Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) geändert. So fällt jetzt auch Blutdoping unter das AMG und ist damit verboten. Ferner kann das BKA nun von sich aus gegen Dopingvergehen ermitteln - zuvor war die Zustimmung des Innenministeriums nötig.
  • Am 29. November 2007 ist zudem die "Verordnung zur Festlegung der nicht geringen Menge von Dopingmitteln" (Dopingmittel-Mengen-Verordnung, DmMV) in Kraft getreten. Sie legt fest, ab welchen Mengen der Besitz von Dopingmitteln strafbar sein kann. Einige Beispiele: Für Testosteron liegt diese Menge bei 3000 mg, für Epoetin bei 24 000 I.E. und für Somatropin bei einer Menge von 16 mg.

(smi/mut)

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