Hoppe kritisiert Mechanisierung des Arztberufs

BERLIN (ble). Drei Wochen vor dem 111. Deutschen Ärztetag in Ulm ist der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Jörg-Dietrich Hoppe, mit der Gesundheitspolitik der großen Koalition hart ins Gericht gegangen. Diese drohe aus dem Arzt einen "Mechaniker" zu machen.

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Vor Journalisten in Berlin kritisierte der Ärztepräsident, dass das Gesundheitswesen einerseits immer stärker planwirtschaftlich strukturiert werde. Als Beispiel nannte er die Finanzausstattung der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Gesundheitsfonds sowie die Standardisierung von Leistungen und deren Erbringung nach vorgegebenen Prozeduren, Richtlinien oder Programmen. Auf der anderen Seite ziehe sich der Staat aus der Daseinsvorsorge im Gesundheitswesen zurück und rufe bei der Umsetzung der von ihm vorgegebenen standardisierten Leistungen den Wettbewerb aus. Dabei konzentrierten sich die Politiker auf Diagnosen und nicht mehr auf den einzelnen Patienten.

Hoppe fürchtet, dass diese Ausrichtung des Gesundheitswesens negative Auswirkungen auf das Selbstverständnis künftiger Medizinergenerationen haben wird. Aus Ärzten drohten dann nämlich "Mechaniker" zu werden, "die irgendwelche vorgegebenen Prozeduren abliefern und damit meinen, ihre Arbeit gut gemacht zu haben."

Der Ärztepräsident forderte von den Politikern eine offene Debatte über den künftigen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch wenn eine Rationierung bestritten werde, sei diese verdeckt vorhanden. Zurzeit überlasse die Politik die Entscheidung über Rationierungen aber Ärzten und Patienten. Statt mit der "impliziten Rationierung" weiter zu machen, schlug Hoppe vor, dem Beispiel der skandinavischen Länder, insbesondere Schwedens, zu folgen und mit "offenem Visier" darzulegen, welche Leistungen im Solidarsystem künftig Priorität haben sollen. Hierfür könne ein "Gesundheitsrat" eingerichtet werden, der den Bundestag berate. Die Entscheidungen müssten jedoch vom Parlament gefällt werden, forderte Hoppe.

Mit Blick auf den künftigen Aufgabenzuschnitt ärztlicher Tätigkeiten erteilte BÄK-Hauptgeschäftsführer Professor Christoph Fuchs einer Substitution von Leistungen an nicht-ärztliche Gesundheitsberufe eine klare Absage. Mediziner verfügten über ein Alleinstellungsmerkmal in der Versorgung von Patienten, das aus ihrer Aus-, Fort- und Weiterbildung herrühre. Neben ihrer Fachkompetenz verfügten sie über besondere Fähigkeiten bei der individuellen Beratung und Behandlung und der Entscheidung, Interventionen zu unterlassen, wenn sie dem Patienten nicht mehr dienten. "Diese Kompetenzen, diese individuellen Formen der Zuwendung und Begleitung sind in unseren Augen nicht übertragbar an andere Professionen." Patientenorientierung erfordere den ganzen Arzt, "nicht den fragmentierten".

Statt ärztliche Leistungen zu substituieren, sprach sich Fuchs für eine arztentlastende Delegation von Aufgaben aus, etwa an speziell qualifizierte Medizinische Fachangestellte oder angestellte Pflegekräfte.

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