Bundesrat: Gendiagnostik-Gesetz muss Forschung regeln

Die Länderkammer hat die Bundesregierung zu Änderungen am Gesetzentwurf zur Gendiagnostik aufgefordert.

Von Petra Spielberg und Bülent Erdogan Veröffentlicht:

Zwar sei die Vorlage der großen Koalition insgesamt gelungen, heißt es in einer Empfehlung von drei Bundesratsausschüssen. Doch sei es "unverständlich, warum der Umgang mit genetischen Proben und Daten zu Forschungszwecken" von den Regelungen des Gendiagnostikgesetzes ausgenommen werden solle, ohne dass angekündigt werde, diesen Bereich in einem eigenen Gesetz zu regeln. "Dies erscheint angesichts der immer noch wachsenden Zahl von Biobanken, die Proben sowie umfangreiche medizinisch-diagnostische Daten auch aus genetischen Untersuchungen vorhalten, nicht angemessen", so die Länder.

Unterdessen hat der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Bioethik der christlich-konservativen Fraktion im Europäischen Parlament, Peter Liese, NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers gegen Kritik aus der SPD in Schutz genommen. Rüttgers hatte den Regierungsentwurf des Gendiagnostik-Gesetzes kritisiert, da dieser kein Verbot der Pränataldiagnostik bei spät manifestierenden Erkrankungen enthalte.

Rüttgers moniert insbesondere, dass es nach dem Entwurf des Gesetzes möglich sei, eine Abtreibung wegen des Risikos etwa auf Alzheimer durchzuführen. Daraufhin war es zu heftigen Protesten insbesondere seitens der SPD aber auch der FDP gekommen.

"Im Kern hat Rüttgers Recht", sagt Liese. "Die Gefahr, dass Kinder wegen des Risikos einer Erkrankung, die erst im Erwachsenenalter auftritt, abgetrieben werden, ist überhaupt nicht weit hergeholt. Schon heute ist Pränataldiagnostik auch mit der Möglichkeit einer Abtreibung bei sich spät manifestierenden Erkrankungen, wie erblich bedingten Zystennieren oder Chorea Huntington, möglich. Sie wird in Deutschland und im Ausland praktiziert."

Die Gefahr, dass sich dieses Problem in Zukunft ausweite, sei reell, sagte Liese, der Arzt ist, weiter. Es werde viele genetische Tests geben, die auch das Risiko von Volkskrankheiten wie Herzinfarkt oder Krebs angeben könnten.

"Wenn der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach sagt, Rüttgers Behauptungen seien absurd und kein Arzt und kein Krankenhaus würde eine solche Diagnose als Grund für einen Schwangerschaftsabbruch akzeptieren, muss man Lauterbach entgegenhalten, dass er die Zwänge, unter denen Ärzte im In- und Ausland stehen, nicht kennt", kritisiert der CDU-Europapolitiker.

An der Freien Universität Brüssel beispielsweise würden Embryonen bei der Präimplantationsdiagnostik aussortiert, weil sie ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs tragen. "Wenn so etwas heute in Europa möglich ist, kann man nicht so tun, als gäbe es keinen Diskussionsbedarf." Der Gesetzgeber dürfe sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen.

Von Unkenntnis zeuge auch die Aussage von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, es gäbe derzeit keine Tests, die spätere Krankheiten wie Krebs prognostizieren können. Liese dazu: "Selbstverständlich gibt es schon gut etablierte Tests für dominant-erbliche spät manifestierende Erkrankungen, wie polyzystische Nierenerkrankungen oder Chorea Huntington."

Auch Tests, die ein gewisses Risiko für Brust- oder Darmkrebs vorhersagen, seien bereits auf dem Markt. "Zwar ist ihre Aussagekraft problematisch, aber so einfach wie Ulla Schmidt kann man es sich bestimmt nicht machen", kritisierte Liese.

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