Was schafft die Koalition noch in der Gesundheitspolitik?

Mit Beratungen zu den Themen Patientenverfügungen und Gendiagnostik geht die große Koalition bei der Abarbeitung der im Koalitionsvertrag vereinbarten gesundheitspolitischen Projekte in diesen Tagen in den Endspurt. Doch einige Baustellen drohen zu einem andauernden Ärgernis zu werden.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Langsam wird es eng für die große Koalition: Noch sind einige Baustellen in der Gesundheitspolitik offen.

Langsam wird es eng für die große Koalition: Noch sind einige Baustellen in der Gesundheitspolitik offen.

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In den vergangenen Wochen keimte noch einmal ein zartes Pfänzchen der Hoffnung auf: Mit einem abgespeckten Konzept warb Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) beim Koalitionspartner erneut um Zustimmung für ein Präventionsgesetz.

Die Union begrüßte zwar öffentlich die Bereitschaft der Ministerin, auf einige Aspekte ihres Gesetzes zu verzichten. Doch inzwischen ist es wieder ruhig geworden um den im Koalitionsvertrag vereinbarten Plan, die Prävention zu einer "eigenständigen Säule" in der Sozialversicherung auszubauen.

Dafür befindet sich die Koalition bei einem anderen im Vertrag angesprochenen Thema, der Gendiagnostik, offenbar endlich auf der Zielgeraden: Im kommenden Monat wolle man den Gesetzentwurf durch den Bundestag bringen, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dr. Carola Reimann, der "Ärzte Zeitung". Ziel sei, die Bürger vor unbeabsichtigten Folgen von prädiktiven Gentests zu schützen, etwa am Arbeitsplatz oder beim Abschluss bestimmter Versicherungen, so die Politikerin.

Bewegung zeichnet sich auch bei den Patientenverfügungen ab: Treibende Kraft ist allerdings nicht die Koalition mit einem gemeinsamen Gesetzentwurf, sondern das Parlament. Zwar entspricht dies der parlamentarischen Tradition bei ethischen Fragen, doch hatte sich die Koalition auch dieses Thema 2005 selbstbewusst auf die eigenen Fahnen geschrieben.

Drei fraktionsübergreifende Gruppen werben in diesen Tagen für ihre Konzepte. Im April könnte eine Entscheidung fallen. Allerdings warnt René Röspel, Initiator eines der Anträge davor, dass am Ende kein Antrag eine Mehrheit finden könnte.

Derweil holen auch bereits beackerte Baustellen wie die Honorarreform der Vertragsärzte die Kanzlerin und ihre Gesundheitsministerin ein: Statt zufriedener Ärzte bestimmen Meldungen über flächendeckende Honorarverluste die Schlagzeilen.

Handlungsbedarf besteht auch in der Pflege. Hier dürfte ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff nach der Finanzreform von 2008 einen neuerlichen Umbau der gesetzlichen Pflegeversicherung notwendig machen.

Die Versprechen der großen Koalition

Laut Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 wollten Union und SPD Deutschland mit "Mut und Menschlichkeit" reformieren. Das Gesundheitswesen sollte "leistungsfähig" und "demografiefest" gemacht, die Kranken- und Pflegeversicherung auf eine "nachhaltige" Finanzierungsgrundlage gestellt werden. Die Prävention sollte zur "eigenständigen Säule" ausgebaut werden - flankiert durch ein Präventionsgesetz. Den Versicherten versprach die Koalition "freie Arzt- und Kassenwahl" und mehr Rechtssicherheit bei Patientenverfügungen, den Ärzten sagte sie zu, das Vergütungssystem durch "Pauschalvergütungen kombiniert mit Einzelvergütungsmöglichkeiten für spezielle Leistungen" zu vereinfachen. Die Aufgaben der KVen sollten "neuen Bedingungen angepasst", nichtärztliche Heilberufe "stärker in Versorgungskonzepte" einbezogen werden. (hom)

Drei Projekte bestimmten das Handeln von Schwarz-Rot in der Gesundheitspolitik

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt überschlug sich fast: "Mit der Gesundheitsreform beginnt eine neue Ära in der Sozialgesetzgebung. Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz bewegt im Gesundheitswesen mehr als jede Reform zuvor", erklärte die SPD-Politikerin vollmundig. Aus Sicht der Ministerin und der großen Koalition dürfte demnach kein Zweifel bestehen: Mit der Gesundheitsreform zum 1. April 2007 wurde eine der zentralen Hausaufgaben aus dem Koalitionsvertrag von 2005 erledigt. Mit dem neuen EBM erhielten niedergelassene Ärzte erstmals ein "transparentes und gerechtes Vergütungssystem" aus Pauschalen und Einzelvergütungen.

Ähnlich positiv wertet die Koalition die zum 1. Juli 2008 in Kraft getretene Reform der Pflegeversicherung. Dieser Tag, so Schmidt, sei "ein guter Tag für die Pflege". Die Reform bringe "zahlreiche Erleichterungen und Verbesserungen für pflegebedürftige Menschen, ihre Familien und für die Pflegekräfte".

Als zumindest vorläufig erledigt betrachtet die Koalition auch die Baustelle Krankenhausfinanzierung: Die Kliniken dürften sich dank Krankenhausfinanzierungsreformgesetz über rund 3,5 Milliarden Euro mehr Geld für neue Pflegekräfte und gestiegene Löhne freuen. (hom)

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