Diese Hausaufgaben hat die Koalition bislang liegen lassen
Die Knackpunkte der Gesundheitspolitik der großen Koalition reichen von der Gendiagnostik über Patientenverfügungen bis hin zur Prävention.
Veröffentlicht:Im Februar will die Koalition ihren Entwurf für ein Gendiagnostikgesetz durch den Bundestag bringen. Mit dem Gesetz will Schwarz-Rot einen Arztvorbehalt bei Gentests verankern. Außerdem sollen die Bürger ein Recht auf eine ausführliche Beratung und auf Nichtwissen haben. Der Entwurf sieht ausdrücklich ein Verbot genetischer Untersuchungen auf Verlangen des Arbeitgebers vor. Ärzte müssen Patienten über "Wesen, Bedeutung und Tragweite der genetischen Untersuchung" aufklären. Der Betroffene muss der Untersuchung dann ausdrücklich zustimmen. Versicherungen sollen nur dann Gentests verlangen dürfen, wenn der Kunde eine Risikolebenspolice mit einer Versicherungssumme von mehr als 300 000 Euro abschließen will. (ble)
Patientenverfügung
Parlamentarier haben Qual der Wahl
Bis Ostern könnte im Bundestag eine Entscheidung über ein Gesetz zur rechtlichen Bindung von Patientenverfügungen fallen. Drei fraktionsübergreifende Gruppen werben um Unterstützung: Mit 200 Unterzeichnern hat dabei der "Stünker-Antrag" die größten Chancen. Er sieht eine umfassende Gültigkeit der Verfügungen vor, und das unabhängig davon, ob die Erkrankung zwingend zum Tod führt. Etwa 100 Abgeordnete plädieren für ein gestuftes Vorgehen: Bei heilbaren Krankheiten soll ein Abbruch der Beatmung oder Ernährung nur durch eine "qualifizierte Patientenverfügung" angeordnet werden können. Der Entwurf der Abgeordneten Zöller/Faust räumt dem Arzt eine maßgebliche Rolle bei der Beurteilung der Situation ein. (ble)
Pflegebegriff
Aus drei mach fünf - das wird teuer
Nach der Pflegereform ist vor der Reform: So sollen Pflegebedürftige künftig in fünf statt in drei Pflegestufen eingruppiert werden. Dies schlägt der Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs vor. Wie viel Geld die Betroffenen von den Kassen erhalten, soll davon abhängen, wie stark der Pflegebedürftige in seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten eingeschränkt ist. Ende Januar will sich der Beirat zur Umsetzung seiner Vorschläge äußern. Fest steht: Die Ausweitung der Pflegeleistungen dürfte für die Beitragszahler teuer werden. Die nächste Regierung wird die zweite Pflegereform daher voraussichtlich schon 2010 realisieren - getreu der Erkenntnis: Unliebsame Entscheidungen besser gleich zu Beginn der Legislaturperiode treffen. (hom)
Prävention
Schmidt scheitert an Koalitionspartner
Ein jähes Ende nahmen 2007 die Pläne von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt für ein Präventionsgesetz. Daran haben auch neuerliche Gespräche beider Koalitionspartner vor einigen Wochen nichts geändert. Die SPD möchte einen Teil der Gelder, die die Kassen schon heute für die Gesundheitsförderung ausgeben, abzweigen und in kassenübergreifende Präventionsprojekte stecken. Die Union will es bei der Mittelhoheit der Kassen belassen. So werden die Kassen den Löwenanteil ihrer Mittel von zuletzt 300 Millionen Euro weiter für marketingnahe Ernährungs-, Bewegungs- und Entspannungskurse ausgeben. Für die Prävention in Kitas, Schulen oder Heimen gaben die Kassen hingegen nur sechs Prozent der Summe aus. (ble)
Nichtärztliche Heilberufe
Arztvorhalt steht zur Disposition
Ernst gemacht hat die große Koalition unterdessen mit ihrer Ankündigung, die Aufgaben von Ärzten und nichtärztlichen Heilberufen - allen voran Pflegekräften - neu zuzuschneiden. So sieht die Pflegereform unter anderem Modellvorhaben vor, in denen Angehörige der Pflegeberufe Verbands- und Pflegehilfmittel verordnen und heilkundlich tätig werden können - sofern sie entsprechend qualifiziert sind. Die Bundesärztekammer sieht das Ganze skeptisch. Mit den Modellprojekten werde ein "Flickenteppich von Kompetenzen, halbmedizinischen Ausbildungen und ausbildungsstättenbezogenen Heilkundekompetenzen geschaffen", heißt es. Der Sachverständigenrat indes plädiert für mehr Eigenständigkeit der Pflegeberufe. (hom)
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