Das Gesundheitswesen bleibt reformbedürftig

Der Arzt und CDU-Politiker Dr. Hans Georg Faust hat ein nachdenkliches Fazit der Gesundheitspolitik der großen Koalition gezogen.

Von Bülent Erdogan Veröffentlicht:

Wenn man irgendwo reinpackt ins System, erscheint ein Rattenschwanz an Schwierigkeiten." Dr. Hans-Georg Faust CDU-Bundestagsfraktion

Mit den zuletzt verabschiedeten Gesetzen habe Schwarz-Rot dem Gesundheitswesen zwar "mehr Wettbewerb verordnet", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Faust auf einer Veranstaltung des Pharmaunternehmens GlaxoSmithKline in Berlin. Ebenso sei die Strategie richtig gewesen, in der Gesundheitspolitik neue Instrumente einzuführen statt nur Ziele vorzugeben. Jedoch sei "womöglich noch kein durchschlagender Erfolg" bei der Vernetzung des sektorierten Gesundheitswesens gelungen, räumte der Politiker ein.

Neuordnung des Systems wirft auch neue Fragen auf

Immerhin rechnet Faust durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz aus dem Jahr 2007 mit mehr Bewegung als mit den Regelungen zum Paragrafen 140 SGB. Eine neue Dynamik ermöglichen Faust zufolge auch die Hausarzt- und Facharztverträge nach Paragraf 73 b und c SGB V.

Allerdings werfe die von der großen Koalition eingeleitete Neuordnung des Gesundheitswesens auch neue Fragen auf - etwa die nach der künftigen Sicherstellung der medizinischen Versorgung, der Rolle der Patienten oder der Konkurrenz zwischen Krankenhausambulanzen und niedergelassenen Ärzten.

"Wenn man irgendwo reinpackt in unser System, dann kommt ein Rattenschwanz an Schwierigkeiten zum Vorschein", resümierte Faust, der auch stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages ist. "Das ist so, wie wenn man ein altes Haus kauft, eine Elektroleitung anfasst und dann feststellt, dass man alles renovieren muss."

Der Wissenschaftler Professor Volker Amelung von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) rechnet damit, dass sich die Bezahlung der Leistungserbringer in Deutschland künftig stärker an der Qualität ihrer Arbeit ausrichten wird.

In den USA gebe es derzeit rund 150 "Pay-for-Performance-Verträge". Kriterien für den Abschluss der Verträge seien die Behandlungsergebnisse, die Arbeitsabläufe, die Nutzung von Informationstechnologien, Kosteneffizienz und die Patientenzufriedenheit.

Ins gleiche Horn blies Heike Murner, Leiterin des Berliner Hauptstadtbüros der Barmer Ersatzkasse. Bei neuen Hausarzt- oder Integrationsverträgen kommt es für sie darauf an, dass die Qualität der Behandlung objektiv messbar ist. Bisher werde die Qualität nur in einigen wenigen Verträgen gemessen. Mittelfristig müsse für die Kassen in der Versorgung auch eine Auswahl der Leistungserbringer möglich werden: "Es kann nicht jeder alles tun", sagte Murner.

Trend zur Unterversorgung ist weiterhin ungebrochen

Nach Ansicht des Chefs des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, hat das Kollektivvertragssystem bei der Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung "absolut versagt". Sowohl in den ländlichen Regionen als auch in unterprivilegierten Stadtteilen etwa von Berlin sei der Trend zur Unterversorgung nicht gebrochen. Weigeldt: "Der hausärztliche Nachwuchs, den wir brauchen, wird nicht erzeugt."

Grund dafür ist seinen Ausführungen zufolge die gegenwärtige Honorarsystematik. Sie führe dazu, dass Ärzte für die Behandlung von Chronikern deutlich weniger Geld erhalten würden als etwa für Prävention. Zurzeit verdienten Hausärzte ihr Geld mit den Gesunden und nicht mit den Kranken, obwohl der Großteil ihrer Leistungen schon heute auf chronisch Kranke entfalle.

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