Studenten wollen Gesundheitsministerium abschaffen

BERLIN (ami). Wie lässt sich das Spannungsfeld von Innovationskraft und Mittelknappheit in einem Gesundheitswesen der Zukunft gestalten? Das wurde beim 4. Berliner Roche Forum diskutiert.

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"Wir schaffen das Bundesgesundheitsministerium ab", so der visionäre Plan von Studenten der Gesundheitsökonomie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Statt dem Ministerium setzen sie als Steuerungsgremium in Zukunft einen Expertenrat ein, der ähnlich wie das Bundesverfassungsgericht auf längere Zeit berufen sein soll, das Gesundheitssystem an Gesundheitszielen ausrichtet und diese Ziele regelmäßig überprüft. Im Mittelpunkt steht dabei die Solidarität. Alte, Kranke und Hilfsbedürftige werden von "Gesundheits-Zivis" begleitet und unterstützt.

So genannte "Health Angels" mit medizinischer Fachkompetenz stehen den Menschen als individuelle Gesundheitsberater zur Seite. In MVZ-ähnlichen Strukturen tauschen sie sich regelmäßig mit Kollegen aus, behandeln Patienten gemeinsam und müssen sich nicht um Verwaltungsaufgaben kümmern.

Diese Vision seiner Studenten enthält nach Ansicht des Sozialmediziners Professor Friedrich-Wilhelm Schwartz wichtige Elemente für ein innovatives Gesundheitswesen, wenn es trotz Kostendruck innovativ bleiben will. Er fordert andere Steuerungsgremien, "die von politischen Wechseln unabhängig sind". So genannte intermediäre Berufe zwischen medizinischen Laien und Experten seien nötig.

An der aktuellen Gesundheitspolitik kritisiert Schwartz: "Es wird nicht inhaltlich über Gesundheit geredet, es wird über Kosten geredet." Statt der Innovationskraft stehe die Geldverteilung zur Debatte. Die Politik habe es zwar geschafft, die Kosten zu kontrollieren, "aber um den Preis offener und vor allem verdeckter Rationierung", so Schwartz. Die anhaltenden Proteste der Ärzte zeigten nicht nur eine Unzufriedenheit mit der Geldmenge, sondern auch mit der Art und Weise, wie mit dem Geld umgegangen wird.

Für eine intelligente Verteilung der Resourcen fehlt die Basis, meint der Geschäftsführer von Roche Pharma Hagen Pfundner. Er zeigte sich "verwundert, dass es keine Gesundheitsziele gibt". Solche Ziele sind aus seiner Sicht als Handlungsmaßstab für einen funktionierenden Gesundheitsmarkt unerlässlich. Pfundner fordert eine Abkehr von der "Knappheitsfixierung" und Hinwendung zur Innovationskraft des Gesundheitssystems. "Wir wollen ein Bewusstsein schaffen, dass Investitionen in Gesundheit Investitionen in die Zukunft sind", sagt er. Dazu ist es aus seiner Sicht auch nötig, das Gesundheitswesen nicht mehr als Reparaturbetrieb zu begreifen, sondern auf Gesunderhaltung zu setzen.

"Wir müssen wegkommen vom Reparaturbetrieb. Der Fokus muss auf Gesunderhaltung liegen", sagt auch SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp, der als einer der reichsten Männer Deutschlands unter anderem Hauptinvestor der E-Health-Entwicklungsfirma InterComponentWare (ICW) ist.

Hopp vertritt die Auffassung, dass das Dilemma zwischen Kostendruck und Innovationsbedarf nur mithilfe einer unabhängigen und umfassenden E-Health-Infrastruktur zu lösen ist, die neben der geplanten E-Card auch eine elektronische Patientenakte umfasst. "Das Problem der wachsenden Zahlungsunfähigkeit des Gesundheitswesens bekommt die Politik nur in den Griff, wenn sie schnell die Maßnahmen für die E-Health-Infrastruktur einführt", so Hopp.

Bei aller Kritik an der Politik: Auf die Abschaffung des Gesundheitsministeriums hat sich die Runde nicht verständigt. Aber sie hat den vier geladenen Gesundheitspolitikern neuen Diskussionsstoff mitgegeben.

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