Die etwa 2000 Kliniken stecken mittendrin im Wandel des Gesundheitswesens zur Gesundheitswirtschaft. Gesundheitsunternehmer Professor Heinz Lohmann rät den Managern zu Markenmedizin und Systempartnerschaft. Das Ziel ist: Gute und bezahlbare Medizin für möglichst alle Bürger.

Ärzte Zeitung: Herr Professor Lohmann, über den Begriff Gesundheitswirtschaft wird seit zehn Jahren gesprochen. Hört man die Politiker, jetzt im Wahlkampf, ist von Gesundheit erneut die Rede als Kostentreiber. Hat die Politik das Potenzial der Branche noch immer nicht entdeckt?

Lohmann: Dass die Gesundheitswirtschaft eine zentrale Bedeutung für die Zukunft unserer Volkswirtschaft hat, das ist inzwischen auch den Politikern klar. Aber immer noch überwiegt die Angst vor künftigen Kostensteigerungen gegenüber den wirtschaftlichen Chancen. Das ist schade, denn mit dem Potenzial der Branche ließen sich interessante Botschaften für die Menschen formulieren - gerade jetzt, wo in vielen anderen Wirtschaftsbereichen eher Flaute denn Aufwind herrscht.

Ärzte Zeitung: Der Klinikmanagement-Kongress beim Hauptstadtkongress widmet sich dieses Jahr der "Industrialisierung der Medizin" und der "Markenmedizin". Wirken solche Begrifflichkeiten nicht etwas deplatziert? Immerhin werden im Gesundheitswesen Menschen geheilt und keine Autos zusammengebaut.

Lohmann: Bei einer stark steigenden Nachfrage nach Gesundheitsleistungen und begrenzten Mitteln aus dem Sozialtransfer muss die Produktivität gesteigert werden, wenn der Zugang zu moderner Medizin weiterhin allen Bürgern offen stehen soll. Deshalb muss sich die Gesundheitswirtschaft positive Erfahrungen aus anderen Branchen nutzbar machen. Von anderen Branchen zu lernen, hilft den Akteuren ungemein.

Ärzte Zeitung: Den finanziell angeschlagenen Kliniken präsentieren Sie als Lösungsweg die Systempartnerschaft an. Was genau heißt das?

Lohmann: Die Gesundheitsanbieter müssen die Methoden der digitalen Industrialisierung zur Prozessoptimierung nutzen. Sie müssen sich auf die Strukturierung der Medizin konzentrieren und daher Industrie- und Serviceunternehmen als Systempartner gewinnen. Alleine ist der Weg steinig, gemeinsam ist es leichter, gute Medizin zu machen. Warum sollten sich Kliniken mit Catering beschäftigen? Sie sollen exzellente Medizin und Pflege machen, damit sich ihr guter Ruf herumspricht. Den Rest können andere besser erledigen.

Ärzte Zeitung: Trotzdem werden es viele Kliniken nicht schaffen. Die Privatisierung wird zunehmen.

Lohmann: Privatisierung ist kein Allheilmittel, auch in der Krise nicht. Es geht vielmehr darum, mit starken Partnern gemeinsam innovative Lösungen zu gestalten. Ob das Erfolgsrezept öffentlich-rechtlich umgesetzt wird oder aber privat, das wird später im Wettbewerb entschieden. Dabei geht es um gute Medizin für alle zu bezahlbaren Preisen. Wer das leisten kann, wird Erfolg am Markt haben.

Ärzte Zeitung: : Und was ist mit den Unikliniken? Liegen sie auf dem Sterbebett oder besteht Hoffnung?

Lohmann: Premiummedizin hat im Wettbewerb künftig sogar immer mehr Chancen. Aber die Menschen können dank zunehmender Transparenz auch gerade durch Nutzung des Internets ganz genau hinschauen. Da dürfen sich Unikliniken nicht auf den Lorbeeren vergangener Jahrzehnte ausruhen, sondern müssen sich auf dem Gesundheitsmarkt gegen starke Konkurrenz behaupten. Das geht nur bei Konzentration auf medizinische Exzellenze. Dazu braucht man Spitzenärztinnen und Spitzenärzte.

Ärzte Zeitung: Woher nehmen und nicht stehlen?

Lohmann: Natürlich werden Ärzte, aber auch andere Beschäftigte in Gesundheitsunternehmen künftig wertvoll und knapp. Deshalb müssen sich Arbeitgeber bereits heute mächtig anstrengen, wenn sie gute Mitarbeiter gewinnen und halten wollen. Allerdings muss angesichts des schärferen Wettbewerbs nicht jeder Arbeitsplatz von heute noch besetzt werden, da in den kommenden Jahren eine ganze Reihe von Unternehmen vom Gesundheitsmarkt verschwinden werden.

Klinikexperte und Kunstsammler aus Leidenschaft

An seinem Credo"Gute Medizin für alle zu bezahlbaren Preisen" hält der Hamburger Gesundheitsunternehmer Professor Heinz Lohmann bis heute fest - trotz Rationierungs- und Priorisierungsdebatte. Lohmann, der viele Jahre Vorstandssprecher des Krankenhausunternehmens LBK Hamburg war, hat Begriffe wie Gesundheitswirtschaft, Markenmedizin und Systempartnerschaften geprägt und bekannt gemacht. Lohmann ist Geschäftsführender Gesellschafter der Lohmann Konzept GmbH und Vorsitzender der Initiative Gesundheitswirtschaft. Gemeinsam mit seiner Frau Ulla lebt er in Hamburg und ist leidenschaftlicher Sammler und Förderer experimenteller Gegenwartskunst.

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