Parteien machen weiteren Reformbedarf aus

CDU, SPD und FDP sprechen sich dafür aus, die Regelung zur hausarztzentrierten Versorgung nach der Bundestagswahl zu ändern.

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Annette Widmann-Mauz, Gesundheitspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion: "Auch die KVen müssen die hausarztzentrierte Versorgung anbieten dürfen."

Von Florian Staeck

FRANKFURT/MAIN. "Auch die KVen müssen die hausarztzentrierte Versorgung anbieten dürfen", sagte Annette Widmann-Mauz, gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, bei einer Veranstaltung der BKK Hessen in Frankfurt. Bei der Änderung des Paragrafen 73b SGB V, die seit Anfang des Jahres zahlenmäßig starken Ärzteverbänden einen Vorrang einräumt, sei man "dem Druck der Straße erlegen", sagte Widmann-Mauz. Auch die Bundestagsabgeordneten Hilde Mattheis (SPD) und Dr. Heinrich Kolb (FDP) sprachen sich dafür aus, die gesetzlichen Vorgaben im Paragrafen 73b zu überprüfen.

Bei allen anderen gesundheitspolitischen Baustellen jedoch scheiden sich die parteipolitischen Geister: Widmann-Mauz warb in Frankfurt dafür, der Gesundheitsreform "eine Chance zu geben". Sie hält es für "verfrüht, nach mehr Geld" für die Krankenkassen zu rufen. Reformbedarf räumte sie lediglich beim morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) und bei der Konstruktion des Zusatzbeitrags ein.

Union: Gesundheitsreform eine Chance geben!

Die Abgeordnete Mattheis kündigte für die SPD an, ihre Partei werde "mit der Bürgerversicherung wieder in den Wahlkampf gehen". Auf der politischen Agenda stehe auch eine höhere Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). "Menschen wollen Solidarität und sind bereit, dafür etwas zu zahlen", zeigte sich die SPD-Politikerin überzeugt.

Man müsse sich "vom Dogma der Einheitsversicherung verabschieden", befand dagegen FDP-Vertreter Kolb. Die Frage der künftigen Finanzierung der GKV werde sich nach der Wahl dringender denn je stellen, prognostizierte er. Nach dem 27. September werden wir "eine völlig neue Welt sehen", sagte Kolb.

Für die BKK Hessen mahnte der Vorstandsvorsitzende Jürgen Thiesen ein ganzes Reformpaket an. Kassen brauchten vor allem finanzielle Planungssicherheit. Daher solle das Darlehen von jeweils bis zu vier Milliarden Euro, das der Gesundheitsfonds 2009 und 2010 vom Bund benötigt, in einen Zuschuss umgewandelt werden. Anderenfalls müssten die Kassen Ende 2010 umgerechnet 160 Euro je Mitglied zurückzahlen. Das entspreche einem Zusatzbeitrag von 13,30 Euro pro Monat.

Den 73b neu aufstellen: Die Mehrheit der Parteien spricht sich für Korrekturen nach der Wahl aus.

Den 73b neu aufstellen: Die Mehrheit der Parteien spricht sich für Korrekturen nach der Wahl aus.

© Foto: www.fotolia.de

Widerspruch kam von CDU-Vertreterin Widmann-Mauz. Die Kassen müssten das Signal erhalten, "dass sie das Darlehen auch wieder zurückzahlen müssen". Mehr Anklang hingegen fand Thiesens Vorschlag, den Morbi-RSA "manipulationsresistent" weiterzuentwickeln. Daher sollten nur Diagnosen aus Kliniken verwendet werden, um die Morbidität zu messen. Der BKK-Vorsitzende sprach sich in diesem Zusammenhang auch dafür aus, die Aufsicht über die Kassen neu zu ordnen. Es gehe nicht an, dass einige Aufsichtsbehörden der Länder das Nachcodieren von Diagnosen erlauben, das Bundesversicherungsamt dies aber verbietet, argumentierte Thiesen.

Arzneimittelverordnungen für Morbiditäts-Messung

Unterstützung erhielt der BKK-Chef vom Gesundheitsökonomen Professor Stefan Greß von der Hochschule Fulda. Greß nannte das gleichgerichtete Interesse von Ärzten und Kassen "problematisch". Bei Ärzten ist das Vergütungssystem morbiditätsorientiert, bei Kassen richten sich die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nach der Krankheitsschwere der Versicherten. Der Wissenschaftler plädierte dafür, die Morbidität anhand der Arzneimittelverordnungen zu ermitteln. Dieses Vorgehen sei weniger manipulationsanfällig, so Greß.

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