Bundestag im gesundheitspolitischen Reform-Nirwana

Regierung und Opposition im Bundestag waren sich am Freitag bei der Debatte über die Zukunft der GKV nur in einem einig: Beiden mangelt es an einem ausgearbeiteten Reformkonzept. Weil Substanz fehlt, fallen die gegenseitigen Attacken um so heftiger aus.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Kopfpauschale oder Bürgerversicherung: Die Zukunft der GKV für über 70 Millionen Menschen ist mit vielen Fragezeichen versehen. © INSADCO / imago

Kopfpauschale oder Bürgerversicherung: Die Zukunft der GKV für über 70 Millionen Menschen ist mit vielen Fragezeichen versehen. © INSADCO / imago

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BERLIN. Regierung und Opposition haben am Freitag im Bundestag mit polemischen Zuspitzungen ihre unterschiedlichen Ziele in der Gesundheitspolitik bekräftigt. Anlass der Debatte waren eine parlamentarische Anfrage der SPD, die Details über das Konzept der Kopfprämie wissen wollte sowie mehrere Anträge von Links-Fraktion und Grünen.

SPD-Fraktionsvize Elke Ferner nutzte die Debatte kurz vor der Landtagswahl in NRW, um die Bürger zu einer Abstimmung gegen das Modell der Kopfpauschale aufzurufen. Die Regierung führe die Menschen "hinters Licht", klagt Ferner. Die Fragen der SPD wolle die Regierung nun erst im Herbst beantworten. Ferner fordert Antworten, ob das für 2011 befürchtete Defizit von bis zu 15 Milliarden Euro im Gesundheitsfonds alleine von den Versicherten getragen werden solle oder nicht.

Für die FDP stellt deren gesundheitspolitische Sprecherin Ulrike Flach klar, man wolle gar keine "Kopfpauschale", sondern eine sozial abgefederte Gesundheitsprämie. Solidarität dürfe nicht bei der Beitragsbemessungsgrenze aufhören.

Aus Sicht der Grünen-Abgeordneten Birgitt Bender ist das ein Beispiel für Orwell'schen Neusprech, also eine willkürliche Umdefinition. Sie wirft der FDP vor, ihre Reformabsichten zu verschleiern. Die Liberalen wollten die GKV durch ein System ersetzen, bei dem es Solidarität nur noch zwischen den GKV-Versicherten geben solle. Es sei absonderlich, dass ausgerechnet eine konservativ-liberale Regierung durch einen Sozialausgleich Solidarität "verstaatlichen" wolle.

Der Opposition wirft Jens Spahn als gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion daraufhin vor, es gehe ihr nur darum, die Bürger zu verunsichern. Vergeblich versucht er sich als Brückenbauer zu SPD und Grünen: "Wir liegen doch in der Analyse gar nicht so weit auseinander." So stimme man etwa darin überein, dass die Finanzierungsbasis der GKV breiter werden müsse.

"Hören Sie doch mit der Debatte in Überschriften auf", forderte daher Spahn, konnte bei seinem SPD-Kollegen Karl Lauterbach aber nicht auf Nachsicht hoffen. Lauterbach selber hatte Mitte Dezember 2009 im Bundestag angekündigt, man werde "in Kürze" ein durchgerechnetes Konzept zur Bürgerversicherung vorlegen. Dies liegt allerdings immer noch nicht vor. Auch auf mehrfaches Nachfragen aus Union und FDP will Lauterbach kein neues Datum nennen. Wenn man die Regierungsverantwortung übernehme, werde ein fertiges Konzept vorliegen, zeigt er sich unerschütterlich. Wann das sein wird, kann freilich auch Lauterbach nicht sagen.

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