Bundeskanzlerin Merkel widerspricht Horst Seehofer

Der koalitionsinterne Streit über die Kopfpauschale und Einsparungen im Gesundheitswesen hat sich am Wochenende fortgesetzt. Nun geht es um die Deutungshoheit der Absprachen vom vergangenen Freitag.

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Sie griff am Wochenende über ihren Regierungssprecher in die Debatte ein: Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Sie griff am Wochenende über ihren Regierungssprecher in die Debatte ein: Bundeskanzlerin Angela Merkel.

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BERLIN (dpa). Nach dem vorläufigen Scheitern der Pläne für eine ergänzende Kopfpauschale zum Krankenkassenbeitrag plädierte CSU-Chef Horst Seehofer dafür, vor allem auf Einsparungen zu setzen. "Dazu muss Herr Rösler jetzt Vorschläge machen", sagte Seehofer dem Magazin "Der Spiegel". Absprachen der Parteichefs von CDU, CSU und FDP zur Gesundheitsreform wurden am Wochenende unterschiedlich ausgelegt.

Er habe sich mit FDP-Chef Guido Westerwelle und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf gesundheitspolitische Grundsätze geeinigt, die jede Einführung einer Prämie nahezu unmöglich machen würden, sagte Seehofer dem "Spiegel". Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte dagegen, die Absprachen bedeuteten "dass über die Ausgestaltung eines zukünftigen Sozialausgleichs noch keine Entscheidung getroffen ist".

Nach Seehofers Angaben besteht die Vereinbarung aus drei Sätzen: "Es wird keine Steuermittel für den Solidarausgleich geben. Ein Solidarausgleich aus Beitragsmitteln ist unfinanzierbar. Und bevor wir die Beiträge erhöhen, müssen alle Mittel zur Ausgabenbegrenzung ausgeschöpft sein."

Wilhelm erklärte hingegen, es sei verabredet, die Beitragsautonomie der Krankenkassen zu stärken. "Ein Instrument ist die Weiterentwicklung der einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträge, die dem Gebot der sozialen Gerechtigkeit Rechnung tragen müssen", so Wilhelm.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) kritisierte den heftigen Streit in der schwarz-gelben Koalition über die Gesundheitspolitik: "Hier gilt leider: Die Harmonie zwischen CDU, CSU und FDP ist noch steigerungsfähig", sagte er der "Bild am Sonntag".

Seehofer nannte das Erscheinungsbild der Koalition "noch optimierbar". Zugleich wies er der FDP die Hauptschuld an der Lage der Koalition zu. "Ich kämpfe für meine Grundüberzeugungen, und zwar sehr konsequent. Ich jedenfalls habe keine Sozialstaatsdebatte geführt, ich habe keine Kopfpauschalendebatte geführt, ich habe keine Steuerentlastungsdebatte ohne Rücksicht auf die finanziellen Möglichkeiten geführt." Die CSU sei nicht der "Störenfried".

Mehrere FDP-Politiker warfen der CSU wegen des Streits um die Gesundheitsreform eine Verletzung des Koalitionsvertrags vor. "Ich zweifle allmählich am Willen der CSU zur Vertragstreue", sagte der FDP-Abgeordnete und Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung, Wolfgang Gerhardt, der Zeitung "Die Welt". Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Cornelia Pieper forderte, mit der "plumpen Blockade" der CSU müsse endlich Schluss sein. "Die Gesundheitsreform ist aufgeschoben, aber nicht aufgehoben", sagte Pieper der "Welt".

Auch die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) äußerte sich am Wochenende. Dreyer lehnt die Kopfpauschale entschieden ab. "So eine Kopfpauschale, egal wie hoch sie ist, wirkt entsolidarisierend", sagte sie. "Ohne Not würden Geringverdiener zu Bittstellern gemacht und das bei einem der wichtigsten Güter, das wir haben: Gesundheit." Der Bremer SPD-Chef Uwe Beckmeyer nannte die Kopfpauschale ungerecht. "Es stellt sich die Frage, ist er dem Amt überhaupt gewachsen", sagte Beckmeyer beim SPD-Landesparteitag mit Blick auf Rösler.

Dreyer kündigte an, ihr Land werde - sollte ein derartiger Gesetzentwurf kommen - im Bundesrat gegen die Kopfpauschale kämpfen. Zur Rettung des deutschen Gesundheitswesens ist nach ihrer Ansicht ein einheitlicher Versicherungsmarkt der einzige Weg. "Alle Versicherungen müssen nach den gleichen Bedingungen arbeiten, es darf nicht mehr in gut und schlecht Verdienende aufgespalten werden."

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