Demenz - schmerzhafter Verlust des Partners

Vor allem für den gesunden Lebenspartner ist die Diagnose Demenz ein hartes Schicksal. Der unausweichliche Verlust des Partners führt zu schwierigen Konflikten - Hilfe von Dritten wird nicht ohne weiteres akzeptiert.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
Zu zweit und doch allein - Demenz eines Partners stellt den Gesunden vor schwierige Entscheidungen.

Zu zweit und doch allein - Demenz eines Partners stellt den Gesunden vor schwierige Entscheidungen.

© Alexey Klementiev / fotolia.com

KÖLN. In guten wie in schlechten Tagen füreinander da zu sein, das versprechen sich Ehepaare bei der Hochzeit. Wenn der eine Partner an Demenz erkrankt, wird die Beziehung jedoch auf eine harte Probe gestellt.

"Durch die Erkrankung eines Partners werden die Säulen der Partnerschaft stark angegriffen, Gefährtenschaft und Intimität gehen verloren", sagt Luitgard Franke, Professorin für Soziale Gerontologie an der Fachhochschule Dortmund. Ärzte könnten den Betroffenen dabei helfen, mit der neuen Situation zurecht zu kommen, wenn sie einige Grundlagen beachten, so die Wissenschaftlerin.

Franke hat in einer Studie die Ehepartner von Demenzkranken unter die Lupe genommen und untersucht, mit welchen Schwierigkeiten sie nach Ausbruch der Krankheit zu kämpfen haben. Alle untersuchten Paare waren über 70 Jahre alt.

Eine der Folgen von Demenz: "Der Partner fällt als Lebensgefährte aus, wichtige Entscheidungen muss der gesunde Partner alleine fällen", sagt Franke. Kinder oder Freunde seien dabei kein richtiger Ersatz für diesen Verlust.

Hilfe von Dritten wird nur zögerlich angenommen

Viele Betroffene sind zurückhaltend, wenn es darum geht, sich Hilfe von außen zu suchen, etwa von Ärzten oder bei Beratungsstellen. "Wagen sie den Schritt doch, sind sie sehr empfindlich und ziehen sich bei jedem Versuch, sie von ihrem Partner zu trennen, schnell wieder zurück", sagt Franke. Es bringe gar nichts, dem Pflegenden einreden zu wollen, dass das Beste ein Platz im Pflegeheim sei. Vielmehr sollten Ärzte respektieren, wie wertvoll der Fortbestand der Paarbeziehung für die Betroffenen ist.

Wo immer es der Zustand des Kranken noch zulässt, sollte er in Entscheidungen einbezogen werden. "Wenn die Demenz allerdings so weit fortgeschritten ist, dass der Kranke keinen Überblick mehr hat, sollte sein mutmaßlicher Wille gesucht werden", sagt die Wissenschaftlerin. Hier helfen Fragen wie: "Wie würde Ihr Partner entscheiden, wenn er an Ihrer Stelle wäre?"

Die Zurückhaltung, sich helfen zu lassen, resultiert aus einem Loyalitätskonflikt. Der gesunde Ehepartner scheut sich, vor Freunden oder anderen Familienmitgliedern über die Probleme mit dem Demenzkranken zu sprechen oder ihn, wenn es gar nicht mehr anders geht, in ein Pflegeheim zu geben. Das schlechte Gewissen rührt daher, dass sich der Gesunde in einer dauerhaften Spannung zwischen Paar- und Pflegebeziehung befindet, sagt Franke. Einerseits müsse er Entscheidungen treffen, die aus pflegerischer Sicht notwendig sind, andererseits wolle er den Partner nicht übergehen.

Der gesunde Partner in einer schwierigen Doppelrolle

So ließ eine Ehefrau die Geldkarte ihres dementen Mannes sperren, weil der sehr viel Geld abhob und die Scheine immer wieder verlor. "Aus der Sicht des Pflegenden war das sinnvoll", sagt Franke. "Gleichzeitig plagte die Frau ein schlechtes Gewissen, weil sie ihr Verhalten ihrem Mann gegenüber als unfair empfand." Ärzte und Pflegekräfte können den Angehörigen dabei helfen, die beiden Rollen voneinander zu trennen und beide gleichermaßen zu akzeptieren.

Trotz vieler Schwierigkeiten muss die Krankheit eine Paarbeziehung nicht zerstören, so die Wissenschaftlerin. Das, was die Ehe früher ausgemacht hat, könne auch in der Krankheit weitergelebt werden. "Wenn es ein Paar schafft, die kleinen alltäglichen Momente zu genießen, etwa Spaziergänge oder gemeinsame Erinnerungen an früher, muss es die partnerschaftliche Beziehung nicht aufgeben", sagt Franke.

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