Bundesärztekammer plant den Aufbruch

Tauwetter nach der Eiszeit in der Ära Schmidt: Die Bundesärztekammer hofft auf günstigere politische Rahmenbedingungen, bessere Gestaltungsmöglichkeiten und Reformen in ihrem Sinne.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Klare Position in Sachen GOÄ: Lieber keine Reform als die falsche - BÄK-Vize Dr. Frank Ulrich Montgomery (l.) im Redaktionsgespräch mit "Ärzte Zeitung"-Chefredakteur Wolfgang van den Bergh.

Klare Position in Sachen GOÄ: Lieber keine Reform als die falsche - BÄK-Vize Dr. Frank Ulrich Montgomery (l.) im Redaktionsgespräch mit "Ärzte Zeitung"-Chefredakteur Wolfgang van den Bergh.

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NEU-ISENBURG. Nach Jahren der Agonie und der politischen Sprachlosigkeit zwischen Bundesärztekammer (BÄK) und dem Bundesgesundheitsministerium will das oberste Selbstverwaltungsgremium der Ärzte in die Offensive gehen. Die BÄK und die Ärztekammern wollen eine führende Rolle bei der zukünftigen Gestaltung der medizinischen Versorgung übernehmen und sehen sich dabei als Moderator zwischen KVen, Kliniken, Kommunen und anderen medizinischen Fachberufen.

Sechs Millionen Euro hat die Bundesärztekammer in den vergangenen Jahren in die Versorgungsforschung investiert - gemeinsam mit der KBV strebt man nun eine sektorenübergreifende kleinräumige Bedarfsplanung an. Wichtig sei dabei aber auch die Unterstützung durch die Politik, beispielsweise, indem - entsprechend den Zielen der Koalitionsvereinbarung - der Staat auch finanziell in die Versorgungsforschung investiert, fordert BÄK-Vizepräsident Frank Ulrich Montgomery beim Redaktionsgespräch der "Ärzte Zeitung".

Für ihn ist eines klar: Die ärztliche Arbeitskapazität - gemessen in geleisteten Stunden - wird künftig eher abnehmen. Ärzte werden begehrter sein. Der BÄK-Vize registriert überdies ein gewachsenes Selbstbewusstsein vor allem auch der jüngeren Generation. Vor diesem Hintergrund müssen die Bedingungen im Studium, in der Weiterbildung und im Beruf attraktiver gestaltet werden. Als eine der wichtigsten Aufgaben der Bundesärztekammer sieht er es, in einem permanenten Prozess die Weiterbildungsordnungen zu reformieren und sicherzustellen, dass die Facharztdiplome über alle Ländergrenzen anerkannt werden (was im Fach Allgemeinmedizin nicht immer der Fall war).

Stelle man aber die guten Beschäftigungschancen deutscher Fachärzte im Ausland in Rechnung, dann sei dies eine hohe Anerkennung für die Qualität der Weiterbildung in Deutschland.

Mehr Kreativität erwartet Montgomery künftig auch von den Kommunen. Deren Leistung und Infrastruktur werden maßgeblichen Einfluss darauf haben, wie sicher die ärztliche Versorgung vor Ort sei.

Dringend erforderlich sei aber auch die Reform der Gebührenordnung (GOÄ). Die Bundesärztekammer habe dazu eine betriebswirtschaftlich kalkulierte Konzeption geschaffen - als Basis für eine Rechtsverordnung, die die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates verabschieden müsste.

In einem Punkt zeigt sich die BÄK unnachgiebig: Überlegungen, den privaten Krankenversicherern jenseits der Bestimmungen der amtlichen Gebührenordnung ein Recht zum selektiven Kontrahieren mit abweichenden Honorarbedingungen einzuräumen, setzt die BÄK Fundamental-Widerstand entgegen. Montgomery ist sicher, dass die Abwehr-Allianz von BÄK, Bundeszahnärztekammer sowie KBV und KZBV steht.

Die Furcht vor Selektivverträgen zwischen Ärzten und einzelnen PKV-Unternehmen ist so ausgeprägt, dass man dann lieber den "unerquicklichen Zustand mit Analogbewertungen" nach der alten GOÄ perpetuieren würde.

"Wir sprechen die gleiche Sprache, und wir sehen den Wunsch und den Willen, gemeinsam mit den Ärzten nach Lösungen in der Gesundheitspolitik zu suchen." Doch jenseits der angenehmen Umgangsformen von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler ist auch bei der Bundesärztekammer nach der ersten Euphorie Ernüchterung über die Politikinhalte eingekehrt, wie Vizepräsident Frank Ulrich Montgomery zugesteht.

Zustimmung findet die Finanzreform der GKV. Begründung: Belastet werden Arbeitgeber und Versicherte - erstmals gebe es eine Solidarität mit den Kranken, denen nicht neue Zuzahlungen aufgebürdet oder Leistungskürzungen zugemutet werden.

Für wenig begründet hält Montgomery hingegen andere Teile des GKV-Finanzreformgesetzes, das derzeit als Diskussionsentwurf vorliegt. Das sei zu 99 Prozent ein Kostendämpfungsgesetz, das so nicht notwendig sei, meint Montgomery. Denn im internationalen Vergleich habe die deutsche Bundesregierung die Finanz- und Wirtschaftskrise "hervorragend" gemanaged, die Konjunktur und insbesondere den Arbeitsmarkt stabilisiert. Die Sicherung der Beschäftigung sowie höhere Lohnabschlüsse stützten die Einnahmen der Sozialversicherung, vor allem auch der Krankenkassen.

Allerdings: Die gesundheitspolitischen Ziele der Koalitionsvereinbarung werden nach Auffassung von Montgomery "stark verdünnt" durch negative Einflüsse aus Bayern, insbesondere durch CSU-Chef Horst Seehofer. "Nicht Rösler ist das Problem, sondern die Irrationalität von Seehofer." (HL)

Lesen Sie dazu auch: Die Kammern sollen die Versorgung steuern

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