Kontroverse im Südwesten um das Unigesetz

Am Donnerstag soll der baden-württembergische Landtag ein neues Uniklinik-Gesetz verabschieden. Die Professoren in Lehre und Forschung befürchten stärkeren politischen Einfluss und den Verlust ihrer Flexibilität. Doch der Zorn, der sich jetzt öffentlich artikuliert, kommt wohl zu spät.

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:
Spitzenforschung und High-Tech-Medizin: Freiburg ist eine der vier Unikliniken im Südwesten.

Spitzenforschung und High-Tech-Medizin: Freiburg ist eine der vier Unikliniken im Südwesten.

© euroluftbild / imago

HEIDELBERG/STUTTGART. Die Universitätsmediziner in Baden-Württemberg machen mobil. Mit allen gebotenen Mitteln kämpfen sie gegen die geplante Novellierung des Universitätsmedizingesetzes, das am Donnerstag den Landtag passieren soll.

Wenn das Gesetz durchgeht, das den staatlichen Einfluss in den Kliniken im Bundesland der Spitzenforschung erheblich verstärkt, erwägen die Unikliniken Heidelberg, Tübingen, Freiburg und Ulm, Klage beim Bundesverfassungsgericht einzureichen.

Denn nach Einschätzung der Kritiker enthält das Gesetz "eine Vermengung von Exekutive und Legislative, die auch verfassungsrechtlich bedenklich ist", wie es der Dekan der Medizinischen Fakultät in Heidelberg, Professor Claus Bartram formulierte.

Auch der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) und der Medizinische Fakultätentag (MFT) fordern die Landesregierung auf, das Gesetz zu stoppen.

In einer ganzseitigen privat finanzierten Anzeige am Montag in der "Stuttgarter Zeitung" appellierten 143 Medizin-Professoren aus Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm an die Landtagsabgeordneten, auf das Gesetz zu verzichten.

"Uns ging es darum, Flagge zu zeigen", so der Heidelberger Dekan Bartram, um zu demonstrieren, dass dies nicht nur "verrückt spielende Vorstände oder Medizinische Fakultäten sind, die da ihr Süppchen kochen wollen, sondern dass die Ablehnung des Gesetzesvorhabens von einem breiten Konsens unserer Mitarbeiter getragen wird".

So haben in einer Onlinepetition auf der Internetseite www.stopp-unimedgesetz.de bereits über 2000 Besucher den Appell unterzeichnet.

Wie die "Badische Zeitung" am Wochenende berichtet hat, hatte der Freiburger Uni-Rektor Professor Hans-Jochen Schiewer den Freiburger Medizin-Professoren mit beamtenrechtlichen Konsequenzen gedroht, falls sie die Anzeige in der Stuttgarter Zeitung als Vertreter der Universität Freiburg unterschreiben würden.

Inzwischen hat Schiewer das Verbot zurückgezogen, nachdem der Anzeigentext entschärft und der Heidelberger Klinikumschef Jörg Rüdiger Siewert, der derzeit auch das Freiburger Klinikum kommissarisch leitet, interveniert hat.

Stein des Anstoßes ist der Plan von Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU), die medizinische Forschung und Lehre an den medizinischen Fakultäten und die Krankenversorgung an den Uniklinika wieder unter einem Dach zu vereinen (Integrationsmodell).

Auf erhebliche Kritik stößt bei Unimedizinern und -Verwaltung vor allem die vorgesehene Installierung einer gemeinsamen "Gewährträgerversammlung".

Das ist ein rein politisches Gremium, das sich aus zwölf Landtagsabgeordneten sowie Vertretern aus vier Ministerien zusammensetzt und über die Gesamtstrategie und Investitionsplanung der Hochschulmedizin im Lande befinden soll.

Damit werde eine "Aufsicht der Aufsicht" geschaffen, kritisiert Bartram. Denn der Aufsichtsrat bleibt bestehen. Ferner werde das Parlament gewissermaßen in den Geschäftsprozess der Universitätsklinika eingebunden, was nicht statthaft sei. Ein solches Kontrollgremium wäre in der Universitätsmedizin deutschlandweit bislang einmalig, sagte Bartram.

Vorstände und Aufsichtsräte der Uni-Medizin würden durch das Gesetz in ihren Zuständigkeiten und in ihrer Unabhängigkeit massiv beschnitten. Eine schnelle, sachorientierte und dezentrale Entscheidungsfindung auf der Ebene von Klinikum und Fakultät werde dadurch verhindert. Das gelte auch für Personalentscheidungen.

Bartram sieht das Gesetz bereits in einer Phase, wo eine Rücknahme "leider Gottes" nicht mehr sachlichen Argumenten folge, sondern kurz vor der Landtagswahl am 27. März wohl mehr politischen.

Somit werde das Gesetz wohl den Landtag passieren. Er erhofft sich nach der Landtagswahl einen Neuanfang, um ein gutes Gesetz auf den Weg zu bringen.

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