Die Haltung ändert sich mit Begeisterung

Das Leben ist ungesund. Angst beherrsche die Fähigkeit der Menschen, sich positiv zu begeistern, ist der Neurobiologe und Schriftsteller Professor Gerald Hüther überzeugt.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Professor Gerald Hüther forscht mit Begeisterung über die Fähigkeiten des menschlichen Hirns, Haltungsänderungen zu fördern.

Professor Gerald Hüther forscht mit Begeisterung über die Fähigkeiten des menschlichen Hirns, Haltungsänderungen zu fördern.

© Bauchspieß

BERLIN. Begeisterung wirkt wie Dünger für das Hirn und befähige auch alte Menschen noch zu geistigen Höhenflügen. "Das Hirn wird nicht so, wie man es benutzt, sondern so, wie man es mit Begeisterung benutzt", lautete einer seiner Kernsätze.

Der Hirnforscher begeisterte zur Eröffnung des Hauptstadtkongresses das Publikum im großen Hörsaal des ICC in Berlin.

Die Präventionsmediziner im Publikum werden aufgemerkt haben: Um seine Potenziale entfalten zu können, müsse der Mensch nicht sein Verhalten ändern, sondern seine Haltung, zum Beispiel die zu seiner Gesundheit.

Gemeinschaft und Freiheit wichtig

Haltungen bestünden aus emotionalen und kognitiven Anteilen. Den Raucher darauf hinzuweisen, dass Rauchen tödlich sei, werde aber nicht dazu führen, dass er das Rauchen aufgebe, sagte Hüther. Auch die Kuschelpädagogik, die die emotionale Saite zum Klingen bringe, sei zum Scheitern verurteilt.

Das klassische Reiz-Reaktions-Schema aus Belehrung und Belohnung löse nämlich keine tiefgreifende Änderungen der Haltung aus. Diese Haltungen seien nicht angeboren, sondern würden aufgrund von Erfahrungen erworben.

Die Potenziale könnten sich entfalten, wenn der Mensch sich Gemeinschaften verbunden fühle, aber auch die Freiheit verspüre zu wachsen. Ungesund zu leben oder krank zu sein könne deshalb ein Hinweis darauf sein, dass er Bedürfnisse unterdrücke und andere Dinge für wichtiger halte als die Gesundheit. Vereinzelt und ausgebremst zu sein lässt die Menschen dann zu Ersatzbefriedigungen greifen.

"Je mehr Menschen daran leiden, dass sie nicht dazugehören und sich nicht entfalten können, desto leichter lassen sich Ersatzbefriedigungen vermarkten", sagte Hüther. Die wachsende Zahl an Fernsehprogrammen, die Umsätze der Spieleindustrie und Süchte aller Art auf anhaltend hohem Niveau scheinen Hüther Recht zu geben.

Begeisterung schaffen für die Änderung der Haltung

Es geht also darum, Begeisterung zu schaffen für die Änderung der Haltung, auch der zur eigenen Gesundheit. Der Mensch müsse sich die Sinnfrage stellen. "Wohin will ich?" Anders könne das lebendige System, der Körper, gar nicht wissen, warum es sich gesund erhalten solle.

Hier kommen die Ärzte ins Spiel. Begeisterung entspringe dem Dreiklang aus "einladen, ermutigen und inspirieren". "Medizin ist dazu da, die Menschen für das Leben zu begeistern und ihnen Vertrauen in die ärztliche Kunst zu geben", sagte Hüther. So ließen sich mit weniger Geld mehr Menschen dazu bewegen, gesund zu werden, gesund machen ließen sie sich nämlich nicht.

Dazu müsse der Arzt aber daran glauben, dass sich Veränderungen herstellen lassen. Hüthers Beispiel: Vor wenigen Jahren noch habe niemand geglaubt, dass Menschen mit Trisomie 21 bildungsfähig seien. Heute machten sie Abitur.

Dann könne der Arzt die Bedingungen schaffen, in denen der menschliche Körper sich zur Selbstheilung bereit erklärt. "Lebende Systeme sind dazu in der Lage, Selbstorganisationsprozesse in Gang zu setzen", sagte Hüther. Wenn der Patient denn gesund werden wolle.

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