Bahr ist der neue Alte im Ministerium

Daniel Bahr ist erst 34 Jahre alt - in der Gesundheitspolitik aber ein alter Hase. Während er an die Spitze des Ministeriums aufrückt, dreht sich das Personal-Karussell in der zweiten Reihe der Berliner FDP-Politik weiter.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Neuer starker Mann im Gesundheitsministerium: Daniel Bahr.

Neuer starker Mann im Gesundheitsministerium: Daniel Bahr.

© Oliver Berg / dpa

BERLIN. Der Mann der Stunde heißt Daniel Bahr. Der 34-Jährige wird seinem Parteikollegen Philipp Rösler als Bundesgesundheitsminister folgen.

Sicherlich kein leichtes Amt, doch Bahr ist als Röslers bisheriger parlamentarischer Staatssekretär mit der häufig sehr sperrigen Materie der Gesundheitspolitik bestens vertraut.

Und weiß sich notfalls auch gegen die Koalitionspartner der Union lautstark zu wehren. Im vergangenen Jahr beschimpfte er zum Beispiel CSU-Politiker als "Wildsäue" - diese schossen jedoch umgehend mit der Verbalattacke "Gurkentruppe" gegen die FDP zurück.

Gleichzeitig zeigte Bahr sich stets als Mann mit inhaltlichen Ambitionen: Er habe noch viele Ziele, die er in der Gesundpolitik erreichen wolle, sagte er Anfang des Jahres im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sei sicherlich "der schwierigste Bereich im Kabinett", aber es mache ihm immer noch Freude.

Bereits 2009 wurde er bei den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen als Gesundheitsminister gehandelt. Damals musste er dem niedersächsischen Wirtschaftsminister Rösler weichen - jetzt ist er einer der Gewinner von Röslers Personal-Rochade und soll für einen Neuanfang der FDP stehen.

Bahr übernimmt politische Großbaustelle

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler hatte in diesem Jahr in der Gesundheitspolitik viel vor. Unter anderem soll das geplante Infektionsschutzgesetz bereits Mitte Juli in Kraft treten. Gerade kürzlich wurde dies von Experten und Opposition als "unzureichend" kritisiert. Der Entwurf bleibe an vielen Stellen zu vage. Daniel Bahr wird in jedem Fall nachsitzen müssen.

Auch die Verhandlungspartner zum künftigen Versorgungsgesetz dürften sich an eine neue Tonlage gewöhnen. Für den 17. Mai ist ein Spitzengespräch zwischen Vertreter der Länder, der Bundestagsfraktionen von Union und FDP sowie dem Gesundheitsminister angesetzt. In früheren Runden hatte der damalige Gesundheitsminister Philipp Rösler den Ländern mehr Einfluss auf die Gesetzgebung versprochen, die aber von der Fraktion wieder gekippt wurden (wir berichteten). Ob die Länder mit dem künftigen Minister Bahr einen Verhandlungspartner haben, die ihre Interessen unterstützt, muss sich noch zeigen.

Weitere Vorhaben in diesem Jahr sind die Reform der Pflege und deren Finanzierung. Hier ist bisher noch nichts entschieden - klar ist bisher nur, es wird teuerer für die Versicherten. (bee/sun)

Vielleicht nicht die schlechteste Wahl: Bahr hat als FDP-Vorsitzender in Nordrhein-Westfalen einen mächtigen Landesverband hinter sich.

Das Personal-Karussell in der FDP drehte sich nach den Wahl-Schlappen der FDP in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sowie nach schlechten Umfrageergebnissen.

Der bisherige FPD-Parteivorsitzende Guido Westerwelle geriet unter Druck und musste letztendlich von seinem Posten weichen. Die FDP wollte ihr Profil mit neuen Inhalten schärfen. Rösler warf seinen Hut in den Ring und wird auf dem Parteitag am Wochenende in Rostock als neuer Parteichef gewählt.

In der zweiten Reihe der Politik steht das Personal-Karussell noch nicht still: Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Ulrike Flach, wird neue parlamentarische Staatssekretärin im BMG.

Wer künftig ihren Posten übernehmen werde, stehe noch nicht fest, sagte eine Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion der "Ärzte Zeitung". Mit einer Entscheidung sei in den nächsten zwei Wochen zu rechnen. Ein heißer Kandidat könnte der pflegepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Heinz Lanfermann, sein.

Spekulationen gibt es auch um die Nachfolge des Gesundheit-Staatssekretärs Stefan Kapferer. Den hatte Rösler aus dem niedersächsischen Wirtschaftsministerium mit nach Berlin gebracht. Und jetzt soll er auch als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Röslers künftige Arbeit als FDP-Chef und Vizekanzler koordinieren, berichtete das "Handelsblatt" am Mittwoch.

Dem Bericht zufolge wird der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, als sein Nachfolger gehandelt. Er ist ebenfalls Mitglied in der FDP. Baum wollte sich auf Anfrage nicht zu diesen Spekulationen äußern.

Beim BMG hält man sich unterdessen bedeckt mit den Personalien. Dies seien "nachgelagerte Fragen, die in den nächsten Tagen und Wochen geregelt werden", sagte ein Sprecher der "Ärzte Zeitung".

Bei der Kabinettsumbildung wird mächtig aufs Tempo gedrückt: Diese soll bereits am Donnerstagvormittag besiegelt werden. Bahr soll dann im Bundespräsidialamt seine Ernennungsurkunde von Bundespräsident Christian Wulff erhalten.

Während Ärzte und Kassen den Wechsel begrüßten, reagierten die Linken empört. "Da kann man gleich einen notorischen Brandstifter zum Feuerwehrhauptmann ernennen!", schimpfte Linken-Politikerin Kathrin Vogler.

Schließlich wolle er die auf dem Umlageprinzip beruhende gesetzliche Krankenversicherung abschaffen. Unterstützung erhält Vogler von ihrer Parteikollegin Martina Bunge: Unter Bahr werde es "eher noch unsozialer werden".

Hohe Sachkompetenz im komplizierten Politikfeld

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat in einer Mitteilung die Nominierung von Daniel Bahr als neuen Gesundheitsminister begrüßt. "Bahr zeichnet sich durch hohe Sachkompetenz in diesem oftmals komplizierten Politikfeld aus", sagte KBV-Chef Dr. Andreas Köhler. Außerdem fügte er an: "Ich bin mir sicher, dass er mit seinem Wissen künftig wichtige Diskussionen vorantreiben und die Gesundheitspolitik lenken wird."

Kein Verwalter, sondern ein Gestalter

Der Berufsverband der Internisten sieht in Daniel Bahr einen Garanten für Kontinuität in der Gesundheitspolitik der schwarz-gelben Koalition. Dr. Wolfgang Wesiack, der Präsident des BDI, sagte: "Der BDI geht davon aus, dass die Ärzte mit einem Gesundheitsminister Bahr reden und rechnen können. Er ist kein Verwalter, sondern ein Gestalter." Wichtig sei dem Verband vor allem, dass der Gesundheitsminister die Liberalisierung im Gesundheitswesen voranbringen werde. Es seien am Versorgungsgesetz noch "liberale Korrekturen" notwendig, so Wesiack.

Konstruktive Vorschläge zum Hausärztemangel

Der Hausärzteverband hat Daniel Bahr zur neuen Amt gratuliert. "Wir gehen davon aus, dass Daniel Bahr als profunder Kenner des Gesundheitssystems den Weg seines Amtsvorgängers Rösler weitergehen wird", sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt. "Gemeinsames Ziel sollte es sein, die wettbewerblichen Elemente im Gesundheitswesen stärker zu fördern", so Weigeldt weiter. Der Hausärzteverband bot dem künftigen Minister konstruktive Vorschläge an, um an der Lösung des Hausärztemangels gemeinsam zu arbeiten.

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