Quereinstieg in die Allgemeinmedizin - ein Notnagel

Rheinland-Pfalz preschte diese Woche vor: Fachärzten sollen leichter in die Allgemeinmedizin einsteigen können. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin sieht in Quereinsteigern höchstens eine kurzfristige Notlösung.

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Die fünfjährige allgemeinmedizinische Weiterbildung müsse gefördert und verbessert werden, fordert Professor Ferdinand Gerlach.

Die fünfjährige allgemeinmedizinische Weiterbildung müsse gefördert und verbessert werden, fordert Professor Ferdinand Gerlach.

© Uni Frankfurt

FRANKFURT/MAIN (HL). Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) lehnt es nicht kategorisch ab, dass patientennah arbeitende Fachärzte in eine verkürzte Weiterbildung zum Allgemeinarzt einsteigen können. Dies ist in Rheinland-Pfalz nach einem Kammerbeschluss demnächst möglich. Darüber wird gegenwärtig heiß diskutiert.

Wie Professor Ferdinand Gerlach, Vorsitzender der DEGAM, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" forderte, müsse aber prioritär die fünfjährige allgemeinmedizinische Weiterbildung gefördert und organisatorisch so verbessert werden, dass die effektiven Weiterbildungszeiten nicht wie derzeit häufig bei acht Jahren liegen.

Als kurzfristige Notlösung denkbar

In einem Positionspapier hat die wissenschaftliche Fachgesellschaft der Allgemeinärzte Pro und Contra abgewogen und ist zu dem Schluss gekommen, dass der Quereinstieg als kurzfristige Notlösung akzeptiert werden könnte.

Dafür spreche, dass kurzfristig die für die hausärztliche Versorgung zur Verfügung stehende Zahl an Medizinern erhöht werden könne. Möglicherweise sei dies auch eine attraktive Option für Fachärzte in solchen Spezialisierungen, für die in der ambulanten Versorgung kein hoher Bedarf bestehe.

Ferner könne damit auch ärztliche Erfahrung in anderen Fachgebieten honoriert werden. Notwendig sei aber, dass die Kriterien für den Quereinstieg klar definiert seien.

Quereinstieg könne kompetente breite allgemeinmedizinische Grundversorgung nicht ersetzen

Gegen das Quereinstiegs-Modell spreche aber, dass notwendige strukturelle Reformen in Aus- und Weiterbildung be- oder verhindert würden, um den Facharzt für Allgemeinmedizin für Berufsanfänger von vornherein zu einem attraktiven Berufsziel zu machen.

Der Quereinstieg könne eine kompetente breite allgemeinmedizinische Grundversorgung nicht ersetzen und nicht garantieren. Er suggeriere auch, dass eine qualifizierte allgemeinmedizinische Versorgung von allen Ärzten geleistet werden kann.

Es bestehe das Risiko, dass die bestehende Weiterbildungsordnung mit einem eigenständigen Fach Allgemeinmedizin ausgehöhlt werde. Außerdem garantiere die Option des Quereinstiegs nicht, dass die betreffenden Ärzte sich tatsächlich in unterversorgten Gebieten niederlassen.

Zweijährige Erfahrung in der Allgemeinarztpraxis gefordert

Als Minimalanforderungen für den Quereinstieg fordert die DEGAM - je nach anrechenbaren Vorleistungen - zwei Jahre in der Allgemeinarztpraxis. Dies müsse allerdings auf besonders qualifizierte Praxen mit einem breiten Versorgungsspektrum und didaktischer Erfahrung beschränkt werden.

Quereinsteiger ohne internistische Vorerfahrung müssten mindestens sechs Monate in der Inneren Medizin einer Klinik praktische Erfahrung sammeln.

Den Vorzug gibt die DEGAM aber ganz klar einer besser organisierten allgemeinmedizinischen Weiterbildung. Die komplizierte Rotation durch ambulante und stationäre Medizin über mehrere Fachgebiete führt dazu, dass die effektive Weiterbildungszeit acht Jahre erreicht.

Das wirkt abschreckend. Nach der Uni Heidelberg ist nun auch in Hessen ein Organisationsmodell in Arbeit, das die Weiterbildung wesentlich zeiteffizienter machen soll.

Lesen Sie dazu auch: Rheinland-Pfalz gibt Fachärzten eine Hausarztchance Quereinsteiger können leichter Allgemeinarzt werden Hausärzteverband will Quereinsteigern die Türen öffnen

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