Gastbeitrag

Good Governance - bitte auch für den GBA

Im Gemeinsamen Bundesausschuss bündeln sich die Interessen von Ärzten, Kliniken und Kassen. Patientenvertreter haben wenig Befugnisse, noch schlechter sieht es für andere Player in der Medizin aus. Doch es gibt Alternativen.

Von Christian Dierks Veröffentlicht:

Professor Dr. Dr. Christian Dierks ist Arzt und Rechtsanwalt für Medizinrecht in Berlin. Er ist Mitbegründer der Kanzlei Dierks + Bohle.

Der Gemeinsame Bundesausschuss als oberstes Beschlussgremium in der GKV ist eine machtvolle Einrichtung. Der Gesetzgeber hat ihm in den vergangenen Jahren mehr Aufgaben übertragen und seine Richtlinien für alle Beteiligten verbindlich gemacht.

Es ist daher geboten, die Anwendung der Prinzipien der Good Governance auch für den Gemeinsamen Bundesausschuss zu fordern. Eines der tragenden Prinzipien ist dabei die Partizipation.

Während die Krankenkassen, Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten und Krankenhäuser ihre Partizipation durch die Möglichkeit zur Stimmabgabe realisiert haben, trifft dies auf viele Andere, die von den Richtlinien betroffen sind, nicht zu. Ihnen bleibt nur ein Stellungnahmerecht.

Dabei geht es nicht nur um große Konzerne, sondern auch um die Interessen der kleinen und mittelständischen Unternehmen der Gesundheitswirtschaft und um viele Freiberufler: Physiotherapeuten, Krankengymnasten oder Logopäden. Ihre Partizipation wird gegenwärtig nur durch ein Anhörungsrecht realisiert - eine Beteiligung am Beschluss ist nicht vorgesehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu festgestellt, dass die Beschlüsse des GBA für betroffene Unternehmen nur ein "Reflex" sind. Eine Beteiligung werden die Betroffenen daher wohl nicht einklagen können. Es ist aber durchaus möglich, eine solche Beteiligung mit den Argumenten der Partizipation, Transparenz und Akzeptanz zu begründen.

Auch der GBA-Vorsitzende Dr. Rainer Hess hat unlängst auf einer öffentlichen Veranstaltung dazu gesagt, dass er sich eine Beteiligung der Industrie am Entscheidungsprozess durchaus vorstellen könne.

Good Governance

Kriterien der Good Governance sind:

Transparenz und Öffentlichkeit Reagibilität Konsensorientierung Partizipation Effektivität Zurechenbarkeit Gerechtigkeit

Was spricht denn ernsthaft gegen einen Vertreter des betroffenen Unternehmens oder Verbandes im Gremium? Eine die Transparenz stärkende Partizipation kann das Gremium jedenfalls nicht "lahmlegen". Die Funktionsfähigkeit bliebe gewährleistet.

Auch die Legitimation des Ausschusses steht wieder auf dem Prüfstand. Ist die Entsendung von Vertretern der GKV ausreichend legitimiert, wenn diese Vorstände bestimmen, die von Verwaltungsräten ernannt werden, die in Sozialwahlen ermittelt worden sind? Werden die Interessen von Patienten durch nicht stimmberechtigte Vertreter, die teils ehemalige Kassenmitarbeiter sind, ausreichend vertreten?

Doch warum sollen die Patientenvertreter nicht legitimiert und mit Stimmrechten ausgestattet werden? Ein dem Schöffenwahlrecht nachgebildetes Verfahren ist bereits vorgeschlagen worden. Danach werden Qualifikationskriterien in der Patienten-Beteiligungs-Verordnung neu festgelegt und die sachlich-inhaltliche Legitimation gestärkt.

Durch das Gebot der Weisungsfreiheit wird eine eigenverantwortliche und unabhängige Aufgabenwahrnehmung gesichert. In einem Vorschlagsverfahren für eine indikationsbezogene Patientenbeteiligung etwa durch Patientenschutzorganisationen wird eine Vorschlagsliste erstellt, die möglichst viele Patientengruppen abbildet.

Das BMG überprüft dann das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen und veröffentlicht die Vorschlagsliste. Die Wahl indikationsbezogener Patientenvertreter kann durch das Parlament erfolgen - wie bei den Landesmedienanstalten Berlin - oder durch das Ministerium analog zur Schöffenwahl.

So würde eine Legitimation der Patientenvertreter begründet. Diese Partizipation wäre eine zeitgemäße Ausgestaltung der Good Governance. Sind wir reif dafür?

Die nächste Reform für den GBA

Innerhalb von acht Jahren steht dem Bundsausschuss die dritte Reform bevor. Folgende Änderungen sind nach dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz geplant:

• Sektorbezogene Beschlüsse werden nicht mehr durch das Gesamtplenum gefasst, sondern nur noch von den Repräsentanten der Betroffenen.

• Der unparteiische GBA-Vorsitzende und die unparteiischen Mitglieder dürfen nicht direkt aus den Interessenorganisationen (Kassen, KBV, DKG) kommen; es gilt eine mindestens dreijährige Karenzzeit. Kandidaten werden vom Bundestags-Gesundheitsausschuss auf ihre Unabhängigkeit hin überprüft; Kandidaturen könne mit Zwei-Drittel-Mehrheit abgelehnt werden. Die Amtszeit ist auf eine Periode von sechs Jahren befristet.

• Leistungseinschränkungen bedürfen einer Mehrheit von neun Stimmen.

• Erweiterte Anhörungsrechte für Medizinische Fachgesellschaften, Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und betroffener Hersteller.

• Mitberatungsrecht der Länder bei Bedarfsplanungsrichtlinien; Antragsrecht.

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