Bessere Hilfe für PC-Süchtige schaffen

Computer und Internet werden für immer mehr Jugendliche zur Sucht. Ihnen zu helfen, ist in Deutschland schwierig. Noch gebe es zu wenige Hilfsangebote, um der Mediensucht zu entkommen, kritisiert ein Experte.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Mediensucht trifft meist junge Männer und geht meist mit sozialem Rückzug einher.

Mediensucht trifft meist junge Männer und geht meist mit sozialem Rückzug einher.

© erwinova / fotolia.com

BERLIN. Immer mehr Menschen haben krankhafte Probleme mit der Internet- und Computernutzung. Doch das Gesundheits- und Hilfesystem ist darauf noch nicht ausreichend eingestellt.

Zu diesem Ergebnis kommt der Vorsitzende des Gesamtverbands für Suchtkrankenhilfe (GVS) Dr. Theo Wessel.

"Noch weit von einer ausreichenden Versorgung entfernt"

"Die Ansätze eines Hilfesystems sind da. Es gibt schon viele Beispiele guter Praxis. Aber wir sind noch weit von einer ausreichenden oder zufriedenstellenden Versorgung entfernt", sagte Wessel anlässlich der vierten Berliner Mediensucht-Konferenz von GVS, TK und der Rheinischen Fachhochschule Köln.

Nicht nur medizinische Angebote wie Spezialabteilungen in Kliniken und spezialisierte ambulante Psychotherapie müssen aus Wessels Sicht ausgebaut werden.

Vernetzung der Bereiche nötig

Nötig sei zudem eine Vernetzung der Bereiche, in denen das oft verborgene Problem Mediensucht entdeckt werden könnte.

"Wir müssen ein Netzwerk schaffen, mit klaren Vereinbarungen, wie Menschen zu helfen ist", so Wessel.

Meist junge Männer, aber immer öfter auch Mädchen

Mediensucht trifft meist junge Männer, immer öfter aber auch Mädchen. Das ist ein Ergebnis einer aktuellen Befragung der GVS in 128 ambulanten diakonischen Suchtfachstellen.

Demnach stellen Mädchen aktuell ein Drittel der Anfragen. 2008 ergab die Befragung einen Anteil von über 90 Prozent Jungen.

Mädchen "haben eher ein Problem mit den sozialen Netzwerken, die Jungen mit Online-Rollenspielen", so Wessel.

Im Schnitt zwei Anfrage pro Monat

Der Beratungsbedarf hat auch insgesamt zugenommen. 2008 verzeichneten die befragten Suchtfachstellen im Schnitt zwei Anfragen pro Monat, jetzt waren es drei.

"Es kommen heute immer mehr Betroffene selbst", stellte Wessel fest. Das führt er auch darauf zurück, dass immer mehr Suchtfachstellen eine Kontaktaufnahme über das Internet anbieten.

Oft mit anderen Süchten gepaart

Mediensucht geht meist mit einem sozialen Rückzug einher. Oft tritt auch eine depressive Verstimmung oder Leistungsabfall in der Schule oder im Beruf auf.

Nicht selten ist Mediensucht mit Süchten wie Alkohol oder Cannabis gepaart.

Problematische Mediennutzung bei mehr als 20 Stunden pro Woche

Eine problematische Mediennutzung kann vorliegen, wenn Jugendliche mehr als 20 Stunden ihrer wöchentlichen Freizeit am Rechner verbringen.

Werden die Betroffenen sehr ärgerlich, wenn Eltern die PC-Nutzung einschränken wollen, deutet das auf Suchtverhalten hin.

Mehr zum Thema

Medizinforschungsgesetz

Regierung: Ethikkommission beim Bund bleibt unabhängig

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert

Nach Koronararterien-Bypass-Operation

Studie: Weniger postoperatives Delir durch kognitives Training

Lesetipps
Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken

Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, den Entwurf für die Klinikreform am 8. Mai im Kabinett beraten lassen zu wollen. 

© picture alliance / Geisler-Fotopress

Großes Reformpuzzle

So will Lauterbach den Krankenhaus-Sektor umbauen