Ein Ministerbesuch und viele offene Fragen

Welche Perspektive haben die Hausarzt- und Facharztverträge der AOK Baden-Württemberg? Bundes gesundheitsminister Daniel Bahr informierte sich in Stuttgart über den Stand der Dinge.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:
Diskutieren Hausarztverträge: Christopher Hermann, Daniel Bahr, Werner Baumgärtner, Berthold Dietsche (v.l.)

Diskutieren Hausarztverträge: Christopher Hermann, Daniel Bahr, Werner Baumgärtner, Berthold Dietsche (v.l.)

© Patzer PR

STUTTGART. Der prominente Besucher in der Stuttgarter Hausarztpraxis stellt neugierige Fragen: Was denn anders sei im Vergleich zu vorher, als sie noch nicht im Hausarztvertrag eingeschrieben gewesen sei, will er von einer Patientin wissen.

Die Frau tut sich bei ihrer Antwort ein wenig schwer. Das mag daran liegen, dass der Fragesteller Daniel Bahr heißt und Gesundheitsminister ist. Sie gehe mit ihrer Familie eben schon 20 Jahre in diese Praxis, fühle sich gut betreut und wolle das auch gern weitere 25 Jahre bleiben, lässt sie den FDP-Politiker wissen. Da lacht der Minister und die Patientin lacht mit.

Ein Gast aus der Hauptstadt

Sparvertrag, nicht Spaßvertrag

Ärzten macht es sicher Spaß, mit dabei zu sein: Ein "Spaßvertrag", wie es gestern in der "Ärzte Zeitung" zu lesen war, ist der AOK-Hausarztvertrag in Baden-Württemberg dennoch nicht.

"Sparvertrag" muss es richtig heißen. Sorry für diesen Übertragungsfehler.

Mittwochnachmittag in Stuttgart. Daniel Bahr ist aus der Hauptstadt angereist, um sich über den Stand der Hausarzt- und Facharztverträge im Ländle zu informieren. Zum Programm gehört ein Praxisbesuch, aber auch ein Gespräch mit der Presse und den Hauptakteuren der AOK-Versorgungsverträge vor Ort.

Dr. Berthold Dietsche, Chef des Hausärzteverbands Baden-Württemberg, Medi-Chef Dr. Werner Baumgärtner und AOK-Landeschef Dr. Christopher Hermann stellen eine Erfolgsgeschichte vor, die sie mit harten Fakten untermauern.

Über eine Million Versicherte der AOK und mehr als 3500 Hausärzte nehmen inzwischen am Hausarztvertrag teil. Befragungen haben ergeben, dass die Zufriedenheit von Ärzten und Patienten im Programm hoch ist, Ergebnisse werden fortlaufend evaluiert, das Konzept ist weit über die Landesgrenzen hinaus auf Interesse und Anerkennung gestoßen.

Mit HZV könnte es gelingen, junge Ärzte aufs Land zu locken, so der Hausarzt

"Wir wissen besser, wie Versorgung in Baden-Württemberg geht als irgendeiner in einer weit entfernten Großstadt", sagt Hermann. Und Berthold Dietsche lässt keinen Zweifel, dass es nur auf der Basis Hausarztzentrierter Verträge (HZV) gelingen könne, junge Ärzte für die Arbeit im ländlichen Raum zu motivieren.

Medi-Chef Baumgärtner weist auf die besondere Bedeutung von Facharztverträgen als Ergänzung zum Hausarztvertrag hin. Drei dieser Verträge gibt es inzwischen. Eine bessere Verzahnung an den Schnittstellen der Versorgung ist das Ziel.

Die Modellregion Baden-Württemberg müsse in der Politik einen höheren Stellenwert bekommen, fordert Baumgärtner "Wir brauchen den Dialog und die Unterstützung aus Berlin" . Eine klare und eindeutige Botschaft an die Adresse von Daniel Bahr.

Der lässt zunächst auch keinen Zweifel, dass das Engagement der Baden-Württemberger seine große Wertschätzung genießt. Wer aber an diesem Tag gehofft hat, Bahr sende tatsächlich Signale aus, dass das Modell im Südwesten auf die ganze Republik ausgedehnt werden könne, der wird enttäuscht.

"Ich setze mich für eine Vielfalt der Versorgungsformen ein", erläutert Bahr. Der Gesundheitsminister könne nicht den Vertrag einer einzigen Kasse bundesweit als den "allein seligmachenden" bezeichnen. "Wir brauchen eine bessere Vernetzung und wir brauchen Wettbewerb", ergänzt er. Und dabei will er durchaus - aber eben nicht ausschließlich - auf die innovative Kraft von Selektivverträgen setzen.

Paragraf 73b wird nicht verändert

Noch einmal stellt der Minister - wie schon in einem Interview in der "Ärzte Zeitung" im vergangenen Dezember - klar, dass der Paragraf 73b SGB V nicht geändert wird.

Zur Erinnerung: Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz war festgeklopft worden, dass Arzthonorare nach 73b-Verträgen nicht höher sein dürfen als im Kollektivvertragssystem. Für den bereits vor Änderung dieses Paragrafen gestarteten AOK-Hausarztvertrag in Baden-Württemberg gilt diese Regelung allerdings nicht.

Das war's. Der Minister eilt zum nächsten Termin. Bahrs Kernbotschaft des Tages hätte Kaiser Franz Beckenbauer sicher mit diesen drei Worten zusammengefasst: "Schaun merr mal!"

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