Alterndes Deutschland - Stresstest für Kliniken

In 20 Jahren hat sich nicht nur der Altersaufbau der Bevölkerung geändert. Hinzu kommt, dass manche Regionen Einwohner gewinnen, andere schrumpfen. Eine Studie zeigt: Für die Planung der stationären Versorgung ist dies eine Herausforderung.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:

BERLIN. Wenn heute Geld der öffentlichen Hand in Beton umgewandelt wird, etwa für Schulen oder Krankenhäuser, dann wird die soziale Infrastruktur für die nächsten Jahrzehnte verplant.

Doch schon in wenigen Dekaden wird die Republik in ihrem Altersaufbau eine andere sein.

Wenn der Bundestag am Donnerstag über die Folgen des demografischen Wandels debattiert, dann steht auch dieses Thema auf der Agenda: Wo und wie kann der Staat treffsicher in die Daseinsvorsorge einer älter werdenden Gesellschaft investieren? Und was wird in diesem Prozess aus ländlichen Regionen, die schon heute eine dünnere Infrastruktur haben?

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), das zum Bundesamt für Bauwesen und Raumforschung gehört, ist diesen Fragen nachgegangen und hat die Auswirkungen des demografischen Wandels auf Bildung, Gesundheit und Pflege untersucht.

Die Fachleute haben dazu Daten zur Bevölkerungsentwicklung und Raumordnungsprognosen verknüpft und die Ergebnisse durch Karten illustriert.

Nachfrage nach Krankenhausbehandlungen wird trotz schrumpfender Einwohnerzahl steigen

Die je nach Region sehr unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung sorgt dafür, dass die Nachfrage nach Krankenhausbehandlungen trotz teilweise schrumpfender Einwohnerzahl bis 2030 steigen wird. Schon die Spannweite zwischen alten und neuen Ländern ist groß: Die Zunahme im Westen beträgt 16 Prozent, im Osten etwa sechs Prozent.

Doch vor allem im Süden der neuen Länder - mit Ausnahme der Ballungsräume Leipzig und Dresden - wird die Nachfrage nach Klinikleistungen abnehmen.

Zur Begründung führen die Wissenschaftler des BBSR an, die Bevölkerung in diesen Gebieten sei schon gegenwärtig überdurchschnittlich alt, so dass die künftige demografische Entwicklung die Ausgangslage weniger stark verändert als etwa in Regionen mit insgesamt "jüngerer" Bevölkerung.

Ein hartes Kriterium, wie die Einwohner die Gesundheitsinfrastruktur einschätzen, ist die Erreichbarkeit von Krankenhäusern mit dem Pkw in einer bestimmten Fahrzeit.

Hier geben die Wissenschaftler für den Status quo Entwarnung: Fast drei von vier Einwohnern erreichen gegenwärtig binnen zehn Pkw-Minuten ein Krankenhaus. In 20 Minuten sind sogar 97,5 Prozent der Bevölkerung in einer Klinik.

Lediglich 2,5 Prozent müssen längere Wege in Kauf nehmen. Dies sind im Westen einige Regionen in Rheinland-Pfalz, im südlichen Schwarzwald oder in Schleswig-Holstein. Deutlich größer sind schon heute dagegen die Fahrtwege vor allem in Mecklenburg-Vorpommern oder in Brandenburg.

Wegfall von Krankenhäusern im Norden und Nordosten wäre ungünstig

In einem Gedankenexperiment haben die Forscher des BBSR simuliert, was passiert, wenn das jeweils nächste Krankenhaus der Grundversorgung schließen würde - aus welchen Gründen auch immer. Die in der Karte rot eingefärbten Gebiete verdeutlichen, dass nur in den Ballungsgebieten des Westens die Fahrtzeiten zum nächsten Krankenhaus weitgehend unverändert würden.

Dagegen würde der Wegfall einzelner Krankenhäuser im Norden und Nordosten der Republik die Gesundheitsinfrastruktur gefährden.

Die Wissenschaftler des Bundesinstituts für Bau-, Stadt und Raumforschung sprechen von "gefährdeten Räumen", auf die Politiker ein besonderes Auge haben sollten: Die Schließung einer Klinik in diesen Gebieten würde die "Versorgungs- und Erreichbarkeitssituation bis hin zu möglicherweise nicht mehr tolerierbaren Ausprägungen verschlechtern."

Am Donnerstag debattiert der Bundestag über die Frage, wie ein hoher Lebensstandard inklusive einer modernen Gesundheitsinfrastruktur auch angesichts einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung gesichert werden kann. Eine konsistente Antwort darauf fehle bisher, moniert die SPD und merkt zu Recht an: "Die Antwort wird dringlicher, denn die Zeitfenster fürs Handeln werden schmaler."

Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung: Bildung, Gesundheit, Pflege - Auswirkungen des demografischen Wandels auf die soziale Infrastruktur. BBSR-Berichte Kompakt 11/2011

Alterung in Deutschland: Regierung legt eigenes Forschungsprogramm auf

Mit einem Forschungsprogramm will die Bundesregierung den Herausforderungen des demografischen Wandels begegnen. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) hat dazu vor einigen Wochen die Grundzüge eines millionenschweren Konzepts vorgestellt.

Rund 415 Millionen Euro will ihr Ministerium dazu bis 2016 bereitstellen. Einen Schwerpunkt bilden Handlungsfelder, die für ältere Menschen von besonderer Bedeutung sind: Mobilität und Kommunikation, längere Beschäftigungsfähigkeit, Wohnen sowie Gesundheit und Pflege. Insgesamt wird in allen sechs Forschungsschwerpunkten stark auf technische Lösungen gesetzt.

Bereits im "Rahmenprogramm Gesundheitsforschung" hat die Koalition angekündigt, die Entwicklung altersspezifischer Medizinprodukte und Behandlungsansätze fördern zu wollen. So könnten etwa mobile Diagnostik- und telemedizinische Assistenzsysteme helfen, Defizite im Alter zu kompensieren.

Darüber hinaus setzt die Regierung auf Konzepte, die die Vernetzung älterer Menschen und ihrer Angehörigen mit behandelnden Ärzten, Apothekern und Krankenhäusern verbessern. Die Entlastung der Pflegenden ist ein weiterer Schwerpunkt. Stichworte hier: Systeme zur automatischen Notfallerkennung oder zur intelligenten Medikamentendosierung, die die Pflege erleichtern.

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