Arbeitsschutz: Psychische Belastung kein Thema

Die Zahl der Fehltage wegen psychischer Probleme steigt - seit 2001 hat sie sich verdoppelt. Doch beim Arbeitsschutz ist es trotzdem kein Thema: Bei Kontrollen werden die Probleme kaum berücksichtigt. Für die Regierung ein Problem der Länder.

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Die Stressfaktoren am Arbeitsplatz sind vielfältig und können krank machen.

Die Stressfaktoren am Arbeitsplatz sind vielfältig und können krank machen.

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BERLIN (chb). Seit Jahren steigt die Zahl psychischer Erkrankungen, auch durch Belastungen am Arbeitsplatz, stetig. Das belegen zahlreiche Studien.

Doch in den Arbeitsschutzkontrollen schlägt sich das bislang kaum nieder. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke hervor.

So wurde zum Beispiel nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums (BMAS), das die Anfrage beantwortet hat, nur bei jeder 90. Betriebsbesichtigung im Jahr 2010 das Thema "psychische Belastung" thematisiert.

Die Themen "Arbeitsplatz, Arbeitsstätte, Ergonomie" , waren dagegen Gegenstand jeder zweiten Besichtigung. Um Arbeitszeit ging es bei jeder zehnten Prüfung.

Das Ministerium gibt in seiner Antwort zu, dass eine Gefährdung der Arbeitnehmer durch psychische Belastungen nicht ausreichend in der Arbeitsschutzaufsicht berücksichtigt wird.

"Die Integration des Gefährdungsfaktors ,psychische Belastung‘ in die Arbeitsschutzaufsicht erfordert eine veränderte Herangehensweise. Die bisherigen Konzepte greifen hier nicht", so das Ministerium.

Stellen bei der Kontrolle fehlen

Ein einfacher Soll-Ist-Vergleich, wie zum Beispiel bei physikalischen Grenzwerten, sei nicht möglich. Psychische Belastungen müssten durch Gespräche mit dem Arbeitgeber und den Beschäftigten sowie durch intensive Beobachtungen vor Ort ermittelt werden.

Eine solche Vorgehensweise sei zeit- und personalaufwändiger als die bisherige Ermittlung der klassischen Gefährdungsfaktoren, so das BMAS.

Gleichzeitig geht aus der Antwort aber auch hervor, dass beim Arbeitsschutz, für dessen Kontrolle die Länder zuständig sind, in den vergangenen Jahren massiv Personal abgebaut wurde.

So waren zum Beispiel bei der Arbeitsschutzaufsicht der Länder im Jahr 2005 noch 3870 Mitarbeiter beschäftigt, fünf Jahre später waren es schon über 600 weniger. Mit einem weiteren Personalabbau wird gerechnet.

Parallel dazu ist die Zahl der besichtigten Unternehmen kontinuierlich gesunken. Hat die Gewerbeaufsicht der Länder 2005 noch fast 392.000 Betriebe in Augenschein genommen, waren es 2010 nur noch knapp über 300.000.

Hinzu kommt, dass nach Angaben des BMAS den Aufsichtsbehörden in den vergangenen Jahren weitere zusätzliche Aufgaben übertragen wurden.

Die Initiatorin der Anfrage, Beate Müller-Gemmeke, fordert angesichts dieser Zahlen die Regierung auf, "auf die Länder einzuwirken, damit die Personalkürzungen beim Arbeitsschutz zurückgenommen werden".

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