Prosit Neujahr

Was die Politik 2013 zu tun hat

Ein Jahr geht zu Ende, ein neues beginnt: Die "Ärzte Zeitung" wünscht einen frakturlosen Rutsch - und zeigt, was sich 2013 ändert, und wo die Politik noch Hand anlegen muss.

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Notfalls wird das Neujahr aufgegessen.

Notfalls wird das Neujahr aufgegessen.

© Franziska Kraufmann / dpa

BERLIN. Das Jahr 2012 ist Geschichte, 2013 setzt gerade seinen Fuß in die Tür. Für uns ist das kein Grund, zurückzublicken. Lieber schauen wir nach vorne: Was bringt das neue Jahr?

Was steht noch auf der politischen Agenda von Schwarz-Gelb, bis nach der Bundestagswahl im September vermutlich eine neue Bundesregierung das Zepter übernehmen wird? Und natürlich zeigen wir, was die Gesundheitspolitik zum Jahresanfang geändert hat.

Die gute Nachricht allerdings zuerst: Gesundheitsminister Daniel Bahr wird 2013 nicht gelangweilt sein. Sein Hausaufgabenheft ist voll, zahlreiche Projekte sind noch nicht vom Eis, einige müssen erst einmal richtig angegangen werden.

Die Zeit drängt, denn im September wird gewählt. Ab dem Sommer werden sich die Parteien in den Wahlkampf stürzen, die Arbeit an großen Gesetzen wird zunehmend schwerer werden. Die Gefahr für manches Vorhaben: Es versickert in der Diskontinuität und überlebt diese 17. Legislaturperiode nicht.

So arg wird es zumindest nicht für das Patientenrechtegesetz kommen. Eigentlich sollte es schon zum 1. Januar 2013 in Kraft treten, politische Diskussionen, zuletzt vor allem um den Härtefallfonds haben dem einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Immerhin: Ende November wurde das Gesetz, das letztlich Richterrecht kodifiziert und für Ärzte wenig gravierend Neues bringt, vom Parlament verabschiedet. Jetzt soll es offenbar im Februar abschließend vom Bundesrat behandelt werden.

Noch etwas länger dauern dürfte hingegen das Krebsplanumsetzungsgesetz, mit dem deutschlandweit Krebsregister aufgebaut und die Vorsorgeuntersuchungen ausgebaut werden sollen. Ende November wurde es in erster Lesung vom Parlament beraten - und in die Ausschüsse überwiesen.

Mitte Dezember gab es eine erste Anhörung von Experten. Die Chancen stehen gut, dass dieses Vorhaben vor der Bundestagswahl mit einer Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt zu einem Ende kommt.

Kippen könnte hingegen das geplante Verbot der Sterbehilfe von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Kurz vor Weihnachten nahm der Gegenwind gegen ihre Pläne aus der Union zu - weil der FDP-Entwurf manchen Politikern nicht weit genug geht.

Die Abgeordneten hatten einen alternativen Entwurf als Diskussionsgrundlage vorgelegt. Sie plädieren für eine Aufhebung des Fraktionszwanges bei diesem Vorhaben, was prompt einen Streit mit dem Koalitionspartner hervorrief.

Der FDP-Politiker Michael Kauch pochte kurz nach Weihnachten auf die Einhaltung der Koalitionsdisziplin und forderte von der Union, dem Leutheusser-Entwurf zu folgen.

Manche Beobachter glauben allerdings, dass die Justizministerin das Gesetz gar nicht zur Reife bringen will - denn ein Sterbehilfe-Verbot ist ihr alles andere als eine Herzensangelegenheit. So könnte das Gesetzesvorhaben schließlich in der Ablage landen.

Stoff für Debatten bieten auch die bislang nur wenig beachteten Pläne für den neuen Beruf des Notfallsanitäters. Die dreijährige Berufsausbildung soll die zweijährige Ausbildung zum Rettungssanitäter ersetzen - mit mehr Kompetenzen und mehr Sicherheiten für die Auszubildenden.

Streitpunkt auf ärztlicher Seite ist der geplante Begriff "invasiver Maßnahmen", wonach die Notfallsanitäter künftig bis zum Eintreffen des Arztes begrenzt ärztliche Maßnahmen beherrschen sollen.

Die Länder und Ausbildungseinrichtungen hingegen fordern eine Regelung für die Kostenübernahme, am besten durch die Krankenkassen, die sich dagegen wehren.

Der Bundesrat geht in seinen Änderungsvorschlägen sogar noch weiter und fordert die rechtliche Absicherung der künftigen Notfallsanitäter: Da sie die Heilkunde beherrschen sollen, muss nach Ansicht der Länder dafür auch der Heilberufevorbehalt in den einschlägigen Rechtsvorschriften angepasst werden.

Vor allem ärztliche Verbände werden sich dagegen sträuben. Das geplante Berufsgesetz wurde bislang in erster Lesung im Parlament beraten und befinden sich nun in den Ausschüssen.

Schwarz-Gelb will außerdem die Pflegeberufe harmonisieren - und aus Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege einen einzigen Beruf mit dreijähriger Ausbildungsdauer machen. Bund und Länder sind sich darin einig, doch über die Eckpunkte sind sie bislang nicht herausgekommen.

Etwas weiter ist da schon eine geplante Besserstellung von Privatversicherten gegenüber ihrem Versicherer. Die Regierung will ihnen künftig unter anderem das Recht einräumen, binnen zwei Wochen von ihrer Versicherung zu erfahren, ob er Leistungen ab 2000 Euro erstattet oder nicht.

Reagiert der Versicherer nicht, soll die Leistung als notwendig und damit als erstattungsfähig gelten. Bisher wurde das geplante Gesetz in erster Lesung im Parlament beraten.

Eine liberale Herzensangelegenheit der Koalition, nämlich die Anwendung des Kartellrechts für die Krankenkassen, hängt derweil im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern.

Die Regierung will damit sicherstellen, dass die Kassen durch Zusammenschlüsse oder Absprachen nicht zu mächtig werden - die Forderung wird schon im Koalitionsvertrag genannt. Die Länder hingegen fürchten um die Handlungsfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens.

Die Kassen, ebenfalls Gegner der Regierungspläne, hoffen nun auf Korrekturen an der Gesetzesnovelle. Allerdings ist der Vermittlungsausschuss nicht selten ein Ort politischer Tauschgeschäfte, bei denen ein Gesetz schließlich doch durchgewunken wird, wenn der Bund den Ländern an anderer Stelle entgegenkommt. Oftmals wird dann über einige gleichzeitig Gesetze beraten.

Eines das auch dazugehört, ist das Durchführungsgesetz der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) - es hängt seit Anfang März 2012 im Vermittlungsausschuss. Die Beratungen wurden seither immer wieder vertagt.

Mit dem IGV will die Regierung die Meldefristen von den Gesundheitsämtern an das Robert Koch-Institut (RKI) drastisch verkürzen. Diese geplante Regelung kam allerdings nur als Lehre aus der EHEC-Epidemie mit in das Gesetz.

Kern des IGV ist neben der Meldepflicht für Röteln, Mumps, Windpocken und Pertussis der verbesserte grenzüberschreitende Seuchenschutz an Häfen und Flughäfen - wie ihn die WHO fordert. Und genau diesen Punkt kritisieren die betroffenen Länder und fordern vom Bund, sich an den Kosten dafür zu beteiligen. Bislang allerdings vergebens.

Bislang vergebens sucht man auch nach einer Präventionsstrategie, der Änderung am Morbi-RSA und der GOÄ-Novelle. Alle drei Themen hatte sich Schwarz-Gelb im Koalitionsvertrag vorgenommen. In der Prävention gibt es lediglich ein gemeinsames Eckpunktepapier, der Morbi-RSA bleibt wohl so wie er ist und wird nicht verschlankt, und bei der GOÄ-Novelle wartet der Minister auf die BÄK und den PKV-Verband.

Doch es gibt auch kleine Erfolge für die Regierung zu vermelden, denn zum neuen Jahr ändern sich zahlreiche Dinge. Die gravierendste Änderung, weil für jeden Bürger und alle niedergelassenen Kollegen spürbar, ist der Wegfall der Praxisgebühr.

Ab dem 1. Januar ist Schluss mit dem Quartalsinkasso, für Praxen und Notdienste bedeutet das weniger Bürokratie. Die rund zwei Milliarden Euro, die den Kassen dadurch fehlen, will die Bundesregierung über ihren Zuschuss für den Gesundheitsfonds kompensieren.

Ebenfalls für die Versicherten spürbar ist die gute Finanzsituation in der GKV: Zum Jahresanfang 2013 haben die meisten Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge wieder abgeschafft. Im Jahresverlauf könnte schließlich auch noch die letzte Kasse beschließen, auf den Obolus zu verzichten. Allerdings bezweifeln Experten, dass die gute Finanzsituation von Dauer sein wird.

Gutverdiener werden vor allem die angehobenen Richtgrößen in der Sozialversicherung spüren. Unter anderem steigt die Beitragsbemessungsgrenze auf 47.250 Euro, die Pflichtversicherungsgrenze auf 52.200 Euro.

Auch für Privatversicherte ändert sich ab 2013 eines grundlegend: Neue Tarife müssen nun "unisex" sein, dürfen also nicht mehr je nach Geschlecht mal günstiger, mal teurer sein.

Bei den Prämien kommt Bewegung ins Spiel, genaue Prognosen sind jedoch nicht möglich. Experten schätzen allerdings, dass vor allem Männer bei neuen Policen drauflegen müssen.

Auf den ärztlichen Geldbeutel werden sich gleich zwei Änderungen auswirken: Niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten werden durch den Honorarkompromiss zwischen KBV und Kassen etwa 1,2 Milliarden Euro mehr Honorar erhalten.

In den Regionen laufen die Verhandlungen, Berlin hatte jüngst mit einer Einigung die Vorreiterrolle eingenommen. Dauerhaft soll die nun die Vergütung der Psychotherapie aus der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (MGV) herausgelöst und extrabudgetär finanziert werden.

Zusätzliche Gelder von den Kassen gibt es außerdem für "besonders förderungswürdige Leistungen", etwa für Chronikerprogramme oder Ärzte in (drohend) unterversorgten Regionen.

Im stationären Sektor ist das Psych-Entgeltgesetz die deutlichste Änderung, die 2013 bringen wird - allerdings hat sie zunächst keine monetären Auswirkungen.

Bis 2021 sollen in Deutschland alle Psychiatrien und psychosomatischen Kliniken von den bisherigen Pflegesätzen auf Tagesentgelte umsteigen. Nun beginnt zunächst die Einführungsphase, in der die Kliniken das neue System freiwillig einführen können. Erst ab 2015 wird es verpflichtend, bis 2021 soll es kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Mit dem Psych-Entgeltgesetz hatte Schwarz-Gelb außerdem einen Tarifausgleich für die rund 2000 somatischen Kliniken beschlossen - sie bekommen 280 Millionen Euro mehr, als Ausgleich für höhere Tarifabschlüsse.

Im Gegenzug hat die Politik die Einführung des Orientierungswertes beschleunigt: Er soll sukzessive die Bindung der Basisfallwerte an die Grundlohnsumme ablösen. Außerdem werden die Mehrleistungsabschläge in den Kliniken auf die Jahre 2013 und 2014 festgeschrieben, ab 2015 entfallen sie komplett.

Wem das in der Klinik alles zu viel wird, der kann sich ab dem kommenden Jahr zumindest leichter niederlassen. Mit der neuen Bedarfsplanungsrichtlinie, die er GBA jüngst verabschiedet hat und die das Ministerium mit zwei Auflagen nicht beanstandet hat gibt es jetzt 8024 unbesetzte Arztsitze.

Gute Chancen hat eine Niederlassung in Nordrhein, Westfalen-Lippe, Niedersachsen und in Baden-Württemberg. Außerdem erhalten die Länder noch Möglichkeiten, zusätzliche Bedarfe zu ermitteln.

Politisch am weitesten geht sicherlich die Pflegereform, wofür vor allem das Pflege-Neuausrichtungsgesetz, kurz PNG, steht. Vor allem Demenzkranke sollen schneller und von mehr Leistungen profitieren. Unter anderem werden häusliche Betreuungsleistungen eingeführt.

In den Pflegestufen 1 und 2 steigen die Sätze für das Pflegegeld und die Sachleistungen. Neu ist die Pflegestufe 0 bei "eingeschränkter Alltagskompetenz". Hier erhalten Demenzkranke künftig 120 Euro Pflegegeld oder 225 Euro für Sachleistungen.

Außerdem wächst der Druck auf den Medizinischen Dienst (MDK). Er muss die Einstufung in die Pflegestufen künftig binnen fünf Wochen vornehmen. Andernfalls können die Betroffenen einen eigenen Gutachter einschalten.

Im Gegenzug steigt ab Januar der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte auf 2,05 Prozent beziehungsweise 2,3 Prozent für Steuerzahler ohne Kinder.

Mit ihrer Pflegereform beginnt Schwarz-Gelb außerdem den Einstieg in die zusätzliche Privatfinanzierung: Mit dem "Pflege-Bahr" werden Pflegezusatzversicherungen mit fünf Euro monatliche staatlich subventioniert.

Erstmals wird der Zuschuss im Jahr 2014 rückwirkend für Policen aus dem Jahr 2013 beantragt. Versicherungsnehmer müssen sich darum allerdings nicht kümmern, die Zuschüsse beantragen die Versicherer. (nös)

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