Nach Fall Niels H.

Klinikum zieht Konsequenzen

Die lange unentdeckt gebliebenen Morde des Pflegers Niels H. haben das Klinikum Delmenhorst viel Vertrauen gekostet. Ab August werden im Klinikum und im St. Josef-Stift qualifizierte Leichenschauen obligatorisch vorgenommen.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Das Klinikum Delmenhorst leidet an den Folgen des Skandals um den Pfleger Niels H.

Das Klinikum Delmenhorst leidet an den Folgen des Skandals um den Pfleger Niels H.

© Ingo Wagner / dpa

DELMENHORST. Das Delmenhorster Klinikum und das St. Josef-Stift der niedersächsischen Stadt führen zum 1. August die qualifizierte Leichenschau aller in den beiden Krankenhäusern gestorbener Patienten ein.

Damit sind die beiden Häuser Vorreiter in Deutschland. Mit der Leichenschau soll vermieden werden, "dass ein unnatürlicher Tod in Folge krimineller Handlungen unentdeckt bleibt", teilte das Klinikum mit.

Das Haus war in die Schlagzeilen geraten wegen der Morde des Pflegers Niels H. an Patienten der Intensivstation des Delmenhorster Klinikums.

Ab dem 1. August wird nun jeder gestorbenen Patienten - jährlich etwa 600 - durch einen Rechtsmediziner untersucht, hieß es.

Die Leichenschau folgt dem Vier-Augen-Prinzip: Der Klinikarzt stellt den Tod des Patienten fest und dokumentiert diesen auf einem eigens dafür entwickelten Dokumentationsbogen.

Dann wird ein speziell geschulter Arzt des ärztlichen Beweissicherungsdienstes der Gerichtsmedizin Bremen hinzugezogen.

Der unabhängige Rechtsmediziner nimmt eine äußere Leichenschau vor, bewertet die Todesumstände und füllt die Todesbescheinigung aus. Bei der Feststellung nicht natürlicher oder unklarer Todesursachen werden Angehörige und Polizei informiert.

Kosten tragen die Kliniken selbst

Die Kosten für die qualifizierte Leichenschau von jeweils rund 125 Euro, also rund 75 000 Euro im Jahr, tragen die Krankenhäuser selbst, hieß es.

"Wir können unmöglich den Familien der Angehörigen diese Kosten aufbürden", sagte Klinikumssprecherin Mandy Lange zur "Ärzte Zeitung".

Die Zusammenarbeit mit der Bremer Gerichtsmedizin wird durch das Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) begleitet. "So wird die Leichenschau zum Teil unseres Qualitätsmanagements", so Lange.

Länder wollen nachziehen

Auch in Bremen diskutiert man die Einführung der qualifizierten Leichenschau bei allen Gestorbenen per Gesetz zum 1. Januar 2016. "Dies ist ein Anstoß für Delmenhorst gewesen", sagte Lange.

Mediziner und Polizei fordern seit Jahren, dass speziell ausgebildete Ärzte die Leichenschau vornehmen. Eine regelhafte Obduktion indessen sei "nicht umsetzbar", so das Klinikum.

"Die qualifizierte Leichenschau ist daher ein wichtiger Schritt zur Erhöhung der Patientensicherheit, denn sie kann Hinweise auf Unstimmigkeiten geben und so unabhängige Ermittlungen einfordern", hieß es.

Tatsächlich müssen sich die beiden Krankenhäuser in Delmenhorst nach der Decke strecken. Denn das Klinikum hat durch die Morde des Pflegers Niels H. Vertrauen verloren.

Immer weniger Patienten lassen sich im Klinikum Delmenhorst behandeln. Das Haus geht nun von einem Defizit von mehr als fünf Millionen Euro aus. "Wir wollen mit der Leichenschau das Vertrauen der Patienten zurückgewinnen", erklärte Lange.

Auch in Niedersachsen denkt man an eine erweiterte Leichenschau in den Krankenhäusern, wie Uwe Hildebrandt, Sprecher von Niedersachsens Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD), bestätigte.

"Vor allem soll die einfache Leichenschau in den Krankenhäusern um eine Blutentnahme ergänzt werden", so Hildebrandt, "dazu muss aber zuvor das Bestattungsrecht geändert werden."

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