Forschung

Protest-Märsche für freie Wissenschaft

Für die Freiheit der Forschung, gegen US-Präsident Trump: In den USA ist mit dem "March of Science" eine Protestwelle gestartet – deren Notwendigkeit auch in Deutschland gesehen wird.

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BERLIN. Tausende Menschen sind am vergangenen Samstag weltweit auf die Straße gegangen, um bei einem "March for Science" die Bedeutung der Wissenschaft hervorzuheben. Mehr als 500 Städte haben sich an der erstmalig ausgerufenen Demonstration für eine freie Wissenschaft beteiligt, darunter 14 deutsche: Neben Berlin, Köln und Frankfurt haben unter anderem Aktionen in Heidelberg oder Leipzig stattgefunden. Auch zahlreiche medizinische Fachgesellschaften – darunter die Deutsche Gesellschaft für Immunologie und das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin – sowie die Unikliniken Heidelberg und Hamburg haben als offizielle Unterstützer der Bewegung ein Zeichen gesetzt.

"Der ,March for Science‘ ist der erste Schritt zu einer globalen Bewegung für die Verteidigung der essenziellen Rolle, die die Wissenschaft für unsere Gesundheit, Sicherheit, Wirtschaft und Regierungen spielt", erklären die Organisatoren auf ihrer Webseite. Hinter der Aktion steht eine Gruppe Wissenschaftler, die sich nach der Wahl des offen wissenschaftskritischen US-Präsidenten Donald Trump Anfang des Jahres zusammengefunden hatte und immer weiter wuchs. Mehr als 50.000 Menschen hätten sich als freiwillige Helfer angeboten, teilten die Organisatoren im Vorfeld der Protestmärsche mit.

Denn nicht nur am Ursprung der Bewegung, in den Vereinigten Staaten, wird das Problem wahrgenommen. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte am Freitag, er beobachte mit Sorge, wie die Wissenschaftsfreiheit auch in Europa zunehmend unter Druck gerate. "Wenn Wissenschaftler aus politischen Gründen entlassen, Universitäten ins Aus manövriert oder Forschungsbereiche substanziell geschwächt werden, sind das auch Angriffe auf unser demokratisches Verständnis. Dagegen müssen wir uns entschieden zur Wehr setzen."

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) pochte unterdessen auf bessere Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler. Akademische Freiheit setze auch angemessene Rahmenbedingungen voraus, dazu gehörten auskömmliche Finanzierung und faire Beschäftigungsbedingungen, sagte GEW-Vize Andreas Keller. Hier gebe es auch in Deutschland Grund zur Sorge.

"Wenn neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeitern mit einem Zeitvertrag abgespeist werden, bleibt das nicht ohne Folgen für die Kontinuität und Qualität sowie Kritik- und Innovationsfähigkeit wissenschaftlicher Arbeit", sagte Keller. "Wenn Hochschulen ihre Aufgaben in Forschung und Lehre nur noch erledigen können, solange sie erfolgreich Drittmittel einwerben, erzeugt dies einen Druck, sich an die Interessen externer Geldgeber anzupassen." Nötig sei daher ein Ausbau der Grundfinanzierung der Hochschulen.

In den USA, wo der Hauptmarsch des "March of Science" am Samstag am Weißen Haus vorbeigeführt hat, befürchten Wissenschaftler bereits seit dem Wahlsieg Trumps eine Verschlechterung ihrer Situation (die "Ärzte Zeitung" berichtete). "Trump wird der erste Anti-Wissenschafts-Präsident", zitierte das internationale Wissenschaftsmagazin "Nature" Michael Lubell von der American Physical Society in Washington DC. Einige Wissenschaftler überlegten bereits, aus den USA auszuwandern.

Der "March for Science" soll daher erst der Anfang sein. "Wir haben nicht vor, nach dem 22. April aufzuhören", sagte Wissenschaftlerin Caroline Weinberg, die dem Organisationskomitee der Proteste angehört. "Für mich wäre es ein Versagen, wenn diese Bewegung und all die Leidenschaft nach dem 22. April verpufft." (dpa/jk)

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