Digitalisierung

Unikliniken wollen bei Innovationen Taktgeber sein

Reform des Medizinstudiums, Digitalisierung, älter werdende Gesellschaft: Die medizinischen Hochschulen wollen an Veränderungen aktiv mitwirken.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Gast auf dem Medizinischen Fakultätentag: Minister Hermann Gröhe.

Gast auf dem Medizinischen Fakultätentag: Minister Hermann Gröhe.

© Schnack

HAMBURG. Medizinischer Fortschritt und Digitalisierung, zugleich demografischer Wandel – mit diesen Herausforderungen beschäftigte sich der 78. Ordentliche Medizinische Fakultätentag (MFT) in Hamburg. Deutlich wurde, dass die Medizinfakultäten an Lösungen mitarbeiten wollen und zugleich ihre Vorstellungen an die Politik formulieren werden. Zum Beispiel zum Thema Medizinstudium. Hier mahnte MFT-Präsident Professor Heyo Kroemer bei der Eröffnung eine stärkere Berücksichtigung ihrer Expertise und eine Klärung der noch offenen Finanzierung an. Oder zum Thema IT: Hier verwies Kroemer auf das Förderkonzept zur Medizininformatik des Bundesforschungsministeriums, bei dem unter maßgeblicher Einbeziehung der Unikliniken Daten aus Krankenversorgung und Forschung verknüpft werden.

Nachholbedarf bei der IT

Fest steht für Kroemer, dass Deutschland beim Thema IT mehr Tempo aufnehmen sollte. "In der IT ist Deutschland von einer Vormachtstellung weit entfernt", sagte er in Hamburg.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hofft, dass das Gesundheitswesen künftig schneller als bislang von der Digitalisierung profitieren wird. Die Versorgung habe ein "herausragendes Interesse an Innovationsbeschleunigung". Gröhe sagte in Hamburg: "Wir müssen Tempo bei Innovationen machen, Bremser können wir nicht gebrauchen." Allerdings müsse sich jede Innovation daran messen lassen, welchen Fortschritt sie für die Versorgung und die Lebensqualität des Einzelnen bringe. Er verwies zugleich darauf, dass mit der Digitalisierung eine bessere Zusammenarbeit gelingen kann – flankiert von gesetzgeberischen Maßnahmen wie etwa den Innovationsfonds. Erste Erfolge seien spürbar: "Schon bevor die ersten Millionen geflossen sind, gibt es eine neue Kultur des aufeinander Zugehens", hat er beobachtet.

Als wichtige Hürde für Digitallösungen hat Gröhe datenschutzrechtliche Bedenken bei Ärzten und Patienten ausgemacht. Um diesen zu begegnen, müssten die Vorteile für das Individuum verdeutlicht werden. "Big Data ist nicht Big Brother", sagte er.

Bundesärztekammer-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery sieht seinen Berufsstand gut auf die von Kroemer und Gröhe skizzierten Herausforderungen vorbereitet. Die junge Ärztegeneration sei genauso motiviert und erfolgshungrig wie die ältere, zugleich aufgeschlossen für digitale Technik und bereit, sich auf Brüche im Leben einzustellen: "Die jungen Ärzte sind viel alternativbewusster", sagte Montgomery.

Arbeitsplätze modernisieren

Um sich darauf einzustellen forderte er von den Arbeitgebern und der Gesellschaft: "Wir müssen ihnen die Arbeitsplätze bieten, die sie haben wollen." Einig war er sich mit Gröhe, dass Ärzte bei aller Technisierung nicht verzichtbar werden: "Auch im Jahr 2030 wird der Arzt für die Behandlung gebraucht" – die Technik sei nur ein sinnvolles Hilfswerkzeug. Dieses Werkzeug wird den Ärzten immer mehr Aufgaben abnehmen können, ist Professor Jens Scholz vom Uniklinikum Schleswig-Holstein überzeugt.

"Diagnostik wird im häuslichen Umfeld stattfinden. Wir sollten davon ausgehen, dass das in unseren Alltag einzieht", sagte Scholz. Insbesondere für niedergelassene Ärzte sei diese Entwicklung wichtig, weil damit die Patientenströme anders gelenkt werden – nicht mehr über die klassische Einweisung. Die skizzierte Entwicklung hält Scholz schon wegen der Einstellung der Menschen für unumkehrbar, denn: "Lösungen erwarten wir heute alle sofort." Viele Akteure im Gesundheitswesen seien darauf noch nicht eingestellt – dies zeigt sich für ihn aktuell an den Situationen in den überfüllten Notfallambulanzen.

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