Jamaika-Bündnis

Wirtschaft dringt auf Reform-Koalition

Ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen macht Wirtschaftsverbänden Kopfzerbrechen. Sie warnen vor einer Hängepartie – und fordern Reformen ein.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
So oder ähnlich könnte es auch in Berlin aussehen: Logos von Grünen, FDP und CDU stehen im Juni in Kiel im Saal der Landespressekonferenz.

So oder ähnlich könnte es auch in Berlin aussehen: Logos von Grünen, FDP und CDU stehen im Juni in Kiel im Saal der Landespressekonferenz.

© Markus Scholz/dpa

BERLIN. Begleitet von heftigen Diskussionen über den Kurs einer künftigen Bundesregierung haben die Parteien am Montag im Bundestag eine erste Standortbestimmung vorgenommen. Welche Auswirkungen das auf die Gesundheitspolitik haben wird, ist gegenwärtig noch nicht absehbar.

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In den Unionsparteien zeichnen sich programmatische Konflikte darüber ab, wie die zur AfD abgewanderten Wähler zurückzugewinnen sind – mit einem Rechts- oder einem Mitte-Kurs.Hinzu kommt, dass die Konturen eines Dreier-Bündnisses von Union, FDP und Grünen noch nicht einmal in Umrissen erkennbar sind. Die absehbar schwierigen Gespräche für eine Regierungsbildung beunruhigen Wirtschaftsverbände, die sich umgehend zu Wort melden.

- Für den Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa) ist die Sicherung der Teilhabe Deutschlands am medizinischen Fortschritt prioritär. "Die Qualität der Gesundheitsversorgung ist auch ein Beitrag zum inneren Frieden", so die vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer. Die Politik müsse Leitplanken setzen und Gesundheitsziele vorgeben. Ferner müsse sie Regelungskompetenz zurückgewinnen und die Macht der Krankenkassen zurückschneiden, damit nicht zu Lasten von Patienten an medizinischen Innovationen gespart werde.

- Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) mahnte, zügig eine stabile Regierung zu bilden. "Die Themen der Gesundheitsversorgung sind zu dringend, als dass man sie lange liegen lassen kann. Wir brauchen schnell eine arbeitsfähige Koalition, die die aktuellen Probleme und notwendige Reformen anstößt, so Dr. Martin Zentgraf, Vorstandsvorsitzender des BPI.

- Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), fürchtet, dass der "Einzug einer auf Abschottung, Fremdenfeindlichkeit und Populismus setzenden Partei in den Deutschen Bundestag der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft schadet". Er äußerte die Hoffnung, eine Jamaika-Koalition berge die Chance, "Zukunftsthemen mit neuen Lösungsansätzen anzugehen und Deutschland einen Modernisierungsschub zu geben".

- Die in der Gesundheitspolitik zentrale Frage der Digitalisierung adressierte die Vereinigung Bitkom, die rund 2500 Unternehmen der digitalen Wirtschaft vereinigt. "Die nächsten vier Jahre sind Deutschlands Schicksalsjahre. Jetzt entscheidet sich, ob die digitale Transformation gelingt", sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.

Für eine Wunschkoalition der Leser der "Ärzte Zeitung", nämlich ein Bündnis von Union und FDP, reicht es rechnerisch nicht. In einer nicht-repräsentativen Umfrage, an der sich 1545 Leser beteiligt haben, hatten vor der Wahl 46 Prozent der Leser für Schwarz-Gelb als Wunschbündnis votiert. Nur 11,5 Prozent bevorzugten eine Jamaika-Koalition.

Ein Zusammengehen von Union, FDP und Grünen ist gegenwärtig die einzige praktikable Koalitionsoption. Insbesondere die Grünen stehen damit an einem Scheideweg. Sie haben das Schicksal der FDP und der SPD vor Augen – zerdrückt zu werden in einer Koalition mit der Union.

Robert Habeck, grüner Umweltminister in Schleswig-Holstein, sammelt seit dem Frühjahr Erfahrungen mit einem Jamaika-Bündnis. "Wir kommen jetzt an einen Punkt, an dem wir noch nie waren", schrieb er am Montag in einem Blogbeitrag. Jamaika könne die Grünen "an die Existenzfrage führen. Oder aber wir sind stark genug und erfinden unsere Partei neu, und zwar gerade aus der Verantwortung heraus". Die Antwort auf diese Frage steht aus. Im Norden fuhr seine Partei – trotz oder wegen Jamaika – das mit 2,6 Prozent stärkste Plus der Grünen überhaupt ein.

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