OECD-Studie

Wo sollten künftige Koalitionäre im Gesundheitssystem ansetzen?

Ein Blick von außen kann ideenmüden Sondierern helfen, Reformprioritäten für das Gesundheitssystem festzulegen. Ein OECD- Bericht gibt Impulse.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Eine Übersicht, über die OECD-Mitglieder auf der Weltkarte.

Eine Übersicht, über die OECD-Mitglieder auf der Weltkarte.

© michal812 / stock.adobe.com

BERLIN. In Zeiten der Suche nach einer neuen Bundesregierung dominiert bei allen Akteuren die Binnensicht: Alle schauen nur bis zum Ende des eigenen Gartenzauns. Da bietet die kürzlich erschienene Untersuchung der OECD "Länderprofil Gesundheit 2017" interessante Einblicke – aus den Kommentierungen der Autoren ließe sich eine Reformagenda ableiten, die die Protagonisten der versuchsweisen großen Koalition bisher nicht vorgelegt haben.

Lob und Tadel für Deutschland

Die OECD skizziert unter Rückgriff auf umfangreiches Datenmaterial das deutsche Gesundheitswesen insgesamt als recht wirksam, zugänglich – und kostenintensiv. OECD-Kommentar zu einer aufgeregten deutschen Debatte: Die Wartezeiten auf einen Termin beim Facharzt seien in Deutschland am niedrigsten.

Mit Ausgaben von 3996 Euro pro Kopf (2015) liegt Deutschland auf Platz 2. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind die Gesundheitsausgaben mit 11,2 Prozent im OECD-Vergleich sogar am höchsten. Trotzdem liegt der Anteil der Deutschen, die ihren Gesundheitszustand als gut einschätzen, mit 65 Prozent etwas unter dem Durchschnitt (67 Prozent).

Auffallend ist für die OECD, dass in Deutschland trotz hohen finanziellen Aufwands die subjektiv wahrgenommene gute Gesundheit stark mit dem sozio-ökonomischen Status verknüpft ist. 78 Prozent der Bürger im höchsten Einkommensfünftel schätzen ihre Gesundheit als gut ein, im untersten Fünftel tun dies nur 51 Prozent.

Nur in wenigen anderen Ländern wie etwa Estland, Lettland oder Litauen ist die Einschätzung der Gesundheit in Abhängigkeit vom Einkommen ähnlich groß wie in Deutschland. Das wird mutmaßlich nicht an privaten Zuzahlungen liegen – denn die sind mit 13 Prozent unterdurchschnittlich (OECD: 15 Prozent).

Während das deutsche Gesundheitssystem bei der Leistungsfähigkeit mehrere Pluspunkte verbucht, weist die OECD bei Patienten mit Erkrankungen wie COPD, Herzinsuffizienz oder Diabetes auf überdurchschnittlich hohe Einweisungsraten ins Krankenhaus hin. Mängel bei der Koordinierung der ambulanten Versorgung und starre Sektorengrenzen werden dafür als mögliche Gründe genannt.

"Hohes Aktivitätsniveau in der stationären Versorgung"

Vor allem ist für die OECD das "hohe Aktivitätsniveau in der stationären Versorgung" auffällig. Viele kleinere Krankenhäuser erbrächten Leistungen, obwohl es ihnen oft an Spezialisten und Ausstattung fehle. Einige der Schlussfolgerungen der OECD bieten Stoff für Reformen:

  • Die Abhängigkeit Deutschlands von ausländischen Ärzten nimmt zu. Sie machten bereits 30 Prozent der neu registrierten Ärzte aus. Gleiches gilt für Krankenpflegekräfte.
  • Die starke Stellung von Selbstverwaltungsorganen erschwert "Reformen, die auf eine höhere Qualität und Effizienz abzielen". Bei der Steuerung des Gesundheitssystems überwögen "oft Prioritäten der Kostenträger und Leistungserbringer" und "nicht notwendigerweise Patienteninteressen".
  • Um das Gesundheitswesen zu verbessern, bedürfe es "möglicherweise der Formulierung einer klareren Vision für die Zukunft (...) durch den Gesetzgeber. Als Beispiele für Anwendungsfelder einer "stärkeren Führung" nennt die OECD den Abbau der Überversorgung bei stationären Leistungen oder die Gewährleistung gleichwertigen Zugangs zu Gesundheitsleistungen auch auf dem Land.
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