Gesundheitsminister in spe

Spahn versteht Politik auch als Kampfarena

Dem designierten Gesundheitsminister Jens Spahn fehlt es weder an Erfahrung noch an Ehrgeiz. Wo wird er programmatische Schwerpunkte im neuen Amt legen? Eine Sondierung.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Klatschen für die Chefin: Jens Spahn beim Parteitag der CDU am Montag nach der Rede der Parteivorsitzenden Angela Merkel.

Klatschen für die Chefin: Jens Spahn beim Parteitag der CDU am Montag nach der Rede der Parteivorsitzenden Angela Merkel.

© picture alliance / Ralf Hirschbe

BERLIN. Ändert sich jetzt, eingebunden in die Kabinettsdisziplin, der Politikmodus für Jens Spahn – Klatschen für die Kanzlerin statt Klatsche für die Flüchtlingspolitik?

Jens Spahn ist nach 16 Jahren im Bundestag im Zentrum der Macht angekommen. Wer am Kabinettstisch sitzt, kann nur schwer zugleich die parteiinterne Opposition organisieren. Noch als die Unionsfraktion sich im Herbst nach der Wahl mit altem Personal neu aufstellte, führte Spahn die Unzufriedenen an.

Angela Merkel schlug den seit 2005 amtierenden Fraktionschef Volker Kauder (68) erneut für das Amt vor. "Für wie lange gilt das denn?", soll Spahn spitz gefragt haben, der auf eine Verjüngung an der Fraktionsspitze pochte.

Dass ihm diese Chuzpe eine Rüge seines damaligen Chefs Wolfgang Schäuble eintrug, dürfte Spahn wenig irritiert haben. Der 37-Jährige versteht Politik immer auch als Kampfarena.

Jens Spahn

» Jahrgang 1980, geboren in Ahaus, römisch-katholisch

» Ausbildung zum Bankkaufmann, seit 2017 Master of Arts in Politik

» Seit 2002 Mitglied im Deutschen Bundestag, von 2009 bis 2015 gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, seit 2014 Mitglied im Präsidium der CDU

Als es 2009 um das Amt des gesundheitspolitischen Sprechers ging, setzte er sich in der Fraktion gegen den Zahnmediziner Rolf Koschorrek durch. 2014 drängte er Hermann Gröhe aus dem CDU-Präsidium.

Vier Jahre später kostet Spahns Karrieredrang Gröhe auch den Ministerposten. Er wünsche seinem Nachfolger viel Erfolg, sagte Gröhe am Montag beim CDU-Parteitag – dessen Namen erwähnte er nicht.

Spahn als "Rentenrambo"

Anecken ist der bestens vernetzte Bankkaufmann aus dem Münsterland gewohnt. Zusammen mit jungen Mandatsträgern aus der CDU hat sich Spahn seit 2013 in der Gruppe cdu2017.de für eine Renten- und Pflegepolitik eingesetzt, die auf mehr kapitalgedeckte Vorsorge setzt.

Noch vergangenen Herbst setzte sich Spahn für eine Abschaffung der Rente mit 63 ein – was ihm aus dem Sozialflügel seiner Partei prompt das Attribut des "rentenpolitischen Rambos" eintrug.

Ob er als Gesundheitsminister die Attacke als politisches Grundprinzip weiter pflegen kann, ist fraglich. Gesundheitsminister sind in Deutschland per Definition wandelnde Vermittlungsausschüsse – Durchregieren findet in diesem Politikfeld nicht statt. Doch neu Buchstabieren muss Spahn die Gesundheitspolitik nicht.

Er hat, anders als sein Amt als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium nahelegt, GKV & Co. nie Adieu gesagt. Auch nach 2015 stand er weiter dem Bundesfachausschuss Gesundheit und Pflege der CDU vor. Das rund 40-köpfige Gremium hat bemerkenswerte Papiere vorgelegt, die den gesundheitspolitischen Reformbedarf skizzieren.

Doch im lauen CDU-Programm zur Bundestagswahl fand sich davon kaum etwas wieder. Spahns programmatische Vorstellungen dürften sich in einigen Thesen des Bundesfachausschusses wiederfinden:

- Sektorenübergreifende Planung und Vergütung: Um Schnittstellen zu verringern, müssten Bedarfsplanung und Vergütung sektorübergreifend gestaltet werden. Ziel müsse die "vernetzte Versorgungsplanung (sein), die gleichzeitig als Instrument der Mengensteuerung wirkt".

Ein Schritt auf diesem Weg sei die "einheitliche Vergütung für vergleichbare ambulante und stationäre Leistungen". Dass, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe bis 2020 erst einmal Ideen dazu erbrüten soll, wird Spahns Tatendrang bremsen.

- Digitalisierung: Spahn gilt als Antreiber für eine E-Health-Strategie im deutschen Gesundheitswesen. In einem Papier des Bundesfachausschusses, das unter seiner Federführung entstanden ist, heißt es bündig: "Digitalisierung heißt bessere medizinische Versorgung".

Im September 2016 veröffentlichte er mit zwei Ko-Autoren das Buch "App vom Arzt – bessere Gesundheit durch digitale Medizin". Darin räumt er mit deutschen Datenschutzbedenken auf und vertritt die These, Datenschutz sei primär etwas für Gesunde.

Parität als Rückschritt

Spahn dürfte den Akteuren der Selbstverwaltung daher mehr Tempo verordnen – ob dies im E-Health-Gesetz 2.0 mündet, wird sich zeigen. Er erhofft sich von der Digitalisierung mehr Transparenz in den Informationsflüssen zwischen Leistungserbringern – und damit mehr Effektivität und Effizienz in der Versorgung.

Wie zu diesem Denken das im Koalitionsvertrag geplante Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten passt, muss der Minister in spe erst noch erklären.

- GKV und PKV: Spahn gilt seit jeher als Verfechter der "kleinen" Gesundheitsprämie, um die lohnunabhängige Finanzierung der GKV schrittweise zu stärken. Dass ab 2019 der Zusatzbeitrag wieder paritätisch finanziert werden soll, dürfte er als Rückschritt ansehen.

Der Ausbau der Terminservicestellen ist ein Kompromiss mit der SPD, um den Unmut über unterschiedliche Wartezeiten für GKV- und PKV-Patienten zu dämpfen. Spahn sieht die Beitragsentwicklung in der PKV als sozialpolitisches Problem, das insbesondere mäßig verdienende Beamte betrifft.

Hier macht er "massiven Reformbedarf" aus. Wie er die PKV-Unternehmen an die Kandare nehmen will, ist unklar.

Als der 22-jährige Jungpolitiker sich 2002 erstmals um ein Mandat im Bundestag bewarb, kurvte er mit einem Auto durch seinen Wahlkreis, das mit dem Spruch "Zeit für Taten" bepflastert war. 16 Jahre später ist der Ernstfall da – Spahn muss liefern.

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