Orphan Diseases

Seltene Krankheiten – Experten raten zu Zentrenbildung

Die Behandlung von Orphan Diseases ist kostenintensiv und wird vom DRG-System nicht gut abgedeckt. Bei einer Gesprächsrunde in München forderten Experten mehr Ressourcen für Forschung und Versorgung seltener und schwerer Krankheiten.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:

MÜNCHEN. "Das DRG-System versagt in den Universitätskliniken", kritisierte Professor Matthias Frosch jüngst bei einer Gesprächsrunde im Bayerischen Landtag anlässlich der Eröffnung einer Doppelausstellung zum Thema seltene und schwere Erkrankungen. Dabei stellte der Verband der deutschen Universitätsklinika Patienten mit schweren Krankheitsgeschichten vor, die Care-for-rare-Stiftung zeigte zudem Porträts von Kindern mit seltenen Krankheiten.

Frosch leitet an der Universität Würzburg das Institut für Hygiene und Mikrobiologie und ist Dekan der Medizinischen Fakultät. Er verwies darauf, dass insbesondere Zentren in der Versorgung seltener Krankheiten eine wichtige Funktion zukomme. Für die Patienten seien sie nachweislich von Vorteil.

Zugleich aber brächten sie mit ihrer speziellen Ausstattung und entsprechendem Personal hohe Vorhaltungskosten mit sich.

Das DRG-System decke diese nicht ab. Eine Lösung, so Frosch, könnten Systemzuschläge sein, wie es sie etwa in anderen Ländern schon gebe. Die Integration von Ärzteausbildung, medizinischer Forschung und Patientenversorgung an den deutschen Universitätskliniken nannte Frosch das "Fundament des Gesundheitssystems".

Plädoyer für Zentrenbildung

Eine Zentrenbildung wäre in der Pädiatrie ebenfalls sinnvoll, so Professor Christoph Klein, Direktor der Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität. Er forderte dafür eine Investition von etwa fünf bis zehn Millionen Euro pro Universitätsklinik, also etwa 115 bis 330 Millionen Euro bundesweit.

Klein verwies darauf, dass es beispielsweise in Portugal solche Zentren gebe. Dort überlebten mehr Kinder, die wegen schwerer oder seltener Krankheiten behandelt würden.

Verbesserte Heilungschancen

Medizinische Fortschritte wirkten sich aber natürlich auch an deutschen Kliniken aus, sagte Klein. Heute könnten beispielsweise vier von fünf krebskranken Kindern dauerhaft geheilt werden, während in den 1950er Jahren noch fast alle gestorben seien. Das bedeute umgekehrt aber, dass eines von fünf nicht gesund werde. "Das treibt uns an, noch besser zu werden."

Die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Landtag, Kathrin Sonnenholzner (SPD), sprach sich für eine adäquate Finanzierung von Spitzenmedizin aus. "Spitzenmedizin benötigt mehr Geld als Medizin in der Breite", so Sonnenholzner. Insgesamt solle sich die politische Gestaltung im Gesundheitswesen mehr an der Qualität der Versorgung orientieren.

Von Pharmafirmen, die neue, versorgungsrelevante Medikamente auf den Markt bringen, forderte die Politikerin eine "Preisgestaltung mit Augenmaß". Die GKV könne nicht "jeden Mondpreis zahlen". Besonders mit Blick auf seltene Krankheiten sei weitere medizinische Forschung aber wichtig.

Beratungsangebot für Familien

Ein flächendeckendes Beratungsangebot für betroffene Familien forderte zudem Doris Rauscher (SPD), die stellvertretende Vorsitzende des Sozialausschusses. Die Politikerin hatte die Doppel-Ausstellung initiiert. "Niemand darf ein Waise in der Medizin sein", so Rauscher. Es müsse mehr über Behandlungsmöglichkeiten für seltene Krankheiten informiert und die Gesellschaft müsse sensibilisiert werden.

Um per EU-Definition als Seltene Erkrankung registriert zu werden, darf das Krankheitsbild bei nicht mehr als fünf Patienten unter 10.000 Personen auftreten, einfacher: ein Fall auf 2000 Menschen. Insgesamt sind 8000 seltene Krankheiten in der europäischen Datenbank "Orphanet" erfasst.

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