Krebsbehandlung

Wie soll der Fortschritt organisiert werden?

Innovationen schnell in die Versorgung bringen: Das ist das Anliegen der Deutschen Krebshilfe bei ihrem Vorstoß für einen runden Tisch. Es gibt Ideen, wo diese kooperative Struktur angedockt werden könnte.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Wissen im Netz der Experten generieren und teilen: Die Deutsche Krebshilfe drängt auf Kooperation.

Wissen im Netz der Experten generieren und teilen: Die Deutsche Krebshilfe drängt auf Kooperation.

© vege /stock.adobe.de

KÖLN. Die Deutsche Krebshilfe plädiert für die Etablierung eines runden Tisches, um Strukturen zu schaffen, mit denen die rasanten Fortschritte in der Onkologie schnell in die breite Versorgung gelangen. Teilnehmen sollten neben Ärzten die Krankenkassen und die Politik, sagte der Vorsitzende Gerd Nettekoven auf dem PerMediCon-Kongress in Köln. "Die Krankenkassen sind nicht alleine in der Verantwortung", sagte er.

Zurzeit stehen die Chancen nach Nettekovens Einschätzung gut, das im vergangenen Jahr von der AG Zukunft der Onkologie herausgegebene Positionspapier zur "Wissen generierenden onkologischen Versorgung" umzusetzen. Ärzte, Wissenschaftler, Gesundheitspolitiker und Krankenkassenvertreter setzen sich darin für eine konzertierte Aktion ein, um Innovationen in der Krebstherapie schneller in die Versorgung zu bringen.

Nettekoven hält die onkologischen Spitzenzentren für eine gute Basis, um über Netzwerke das Wissen in die Fläche zu tragen. "Wir brauchen Strukturen, dafür bieten sich die Comprehensive Cancer Center an."

Wissenstransfer organisieren

Die Herausforderung besteht nach Ansicht von Professor Stephan Schmitz, Vorsitzender des Berufsverbands der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland, darin, gemeinsam den Wissens- und Datentransfer zu organisieren. "Es geht nicht darum, Patienten durch Deutschland zu schicken, sondern Wissen zu generieren und zu transportieren." Auch seiner Meinung nach stehen die Zeichen für ein konzertiertes Vorgehen im Moment gut.

Klar ist für Schmitz, dass neue Strukturen nicht dazu führen dürfen, dass die Zentren die Patienten an sich binden. Optimistisch stimmt ihn der Koalitionsvertrag, in dem Union und SPD vorsehen, dass bei schwerwiegenden, komplexen und seltenen Erkrankungen Zentren und ambulante Schwerpunktpraxen zusammenarbeiten. Für den Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) Dr. Johannes Bruns ist entscheidend, dass neue Modelle zur Verbreitung von Innovationen an die Regularien des Systems angepasst werden. "Man muss sie einpflegen, sonst bekommt man Insellösungen."

Der Gemeinsame Bundesausschuss habe durchaus Freiräume geschaffen, um Neuentwicklungen über Netzwerke in die Fläche zu bringen. "Wir müssen Wissen für den täglichen Betrieb generieren", forderte Bruns. Vorbild für den Übergang von neu generiertem Wissen in die standardisierte Versorgung könne die Kinderonkologie sein.

Verabschieden muss man sich nach seiner Ansicht von der Vorstellung, für jede Innovation die Sicherheit randomisiert kontrollierter Studien zu bekommen. Wenn von 100 behandelten Patienten bei 95 die Ergebnisse bekannt seien, könnten Ärzte daraus lernen. "Entscheidend ist, dass das Wissen nicht in den Patientenakten verschwindet." Um eine größere Flexibilität der Krankenkassen im Umgang mit Innovationen zu erreichen, müsse das System angepasst werden, betonte Dr. Ursula Marschall, Leiterin der Abteilung Medizin und Versorgungsforschung bei der Barmer. "Es mangelt nicht am Willen."

Selektivvertrag als einzige Option

Als Körperschaften öffentlichen Rechts bräuchten die Kassen eine Vertragsgrundlage, um Dinge finanzieren zu können. "Im Moment ist der Selektivvertrag der einzige Weg." Selbst wenn er schnell umgesetzt wird, dauere es aber mindestens ein Jahr, sagte sie.

Marschall verwies auf Widersprüche innerhalb des Systems, die medizinisch nicht begründbar sind und aufgelöst werden müssen. So dürften die Krankenkassen die Kosten für Biomarkertests bei der Behandlung von Patientinnen mit Brustkrebs trotz hoher Evidenz nach einer Methodenbewertung durch das IQWiG nicht übernehmen. "In der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung ist der Biomarker-Einsatz dagegen erlaubt".

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