Niedersachsen

Wider den Zuständigkeits-Dschungel

Niedersachsens Regierungsfraktionen setzen eine Enquete-Kommission ein – mit dem Ziel, die medizinische Versorgung zu sichern. Es soll eine Arbeit „ohne Denkverbote“ sein.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Die Regierungskoalition aus CDU und SPD will in Niedersachsen Licht in den Zuständigkeits-Dschungel bringen.

Die Regierungskoalition aus CDU und SPD will in Niedersachsen Licht in den Zuständigkeits-Dschungel bringen.

© szaboerwin / stock.adobe.com

HANNOVER. Niedersachsens Landespolitik will überfraktionell und mit Verbänden und Experten darüber beraten, wie die Probleme der medizinischen Versorgung auf dem Land gelindert werden können. Man habe ein Handlungsproblem, hieß es.

Dazu planen die Regierungsfraktionen der SPD und CDU, eine Enquetekommission einzurichten – zur „Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen – für eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe medizinische Versorgung“. Das gaben die Fraktionen jetzt bekannt. Die Enquetekommission soll aus insgesamt 25 Mitgliedern bestehen, darunter Lokalpolitiker, Verbandsvertreter, Experten und Landespolitiker. Sie soll noch in diesem Jahr mit der Arbeit beginnen. Bis Anfang 2020 soll die Kommission Vorschläge vorlegen.

Auf ihrer Agenda stehen vier Arbeits-Schwerpunkte, erklärt Leif Weinel, Referent zu Gesundheitsfragen in der SPD-Fraktion im Landtag: Die ambulante und stationäre Versorgung, die Digitalisierung der Versorgung und die Mobilität von Ärzten und Patienten. Die Kommission werde „ohne Denkverbote“ arbeiten, sagte Weinel der „Ärzte Zeitung“.

Enquete-Kommission soll Versorgung retten

Bei den bereits bestehenden Instrumenten gebe es einen Zuständigkeits-Dschungel, sagt Weinel. Was fehle, sei ein praktischer Katalog dessen, was die Landesregierung tun kann. Sein Kollege von der CDU-Fraktion, Volker Meyer, erklärt: Das Land habe kein Erkenntnis- sondern ein Handlungsproblem.

„Zum Beispiel konkurrieren ländliche Kommunen mit Geld um die wenigen Hausärzte. Aber es kann nicht sein, dass jeder für sich herumdoktert, und am Schluss entscheidet der Geldbeutel über die Versorgung.“

Tatsächlich hat das Flächenland Niedersachsen vor allem mit der ausgedünnten Versorgung auf dem Lande zu kämpfen. „Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Versorgung in den ländlichen Regionen Niedersachsens in den nächsten Jahren zu einem Versorgungsnotstand führen kann, wenn wir nicht entschlossen handeln“, sagt die SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Johanne Modder.

Vor allem fehlen Hausärzte. Laut Bedarfsplanung der KV Niedersachsen (KVN) herrscht in 73 von 104 Mittelbereichen Bedarf an Hausärzten. In Delmenhorst zum Beispiel fehlen 18,5 Hausärzte, in Leer/Süd 13, in Buxtehude 13,5 und so weiter. Insgesamt zählt die KV derzeit 365 freie Hausarztsitze im Land.

„Bei den Fachärzten ist die Lage noch entspannt“, sagt Detlef Haffke, Sprecher der KVN. Insgesamt sind 100 Sitze frei, vor allem für Psychotherapeuten. Die Kommission soll auch klären, was die Medizin-Studierenden nach ihrem Studium eigentlich tun. „Wir müssen in diesem Bereich einen ganzheitlichen Lösungsansatz finden“, so Dirk Toepffer, Fraktionsvorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag. „Dazu gehört auch, dass wir überprüfen, wie viele Absolventen von der Universität tatsächlich als Arzt tätig werden und wie viele direkt nach dem Studium in die Wissenschaft oder die Wirtschaft wechseln“ – und so nicht für die Patientenversorgung zur Verfügung stehen.

Mark Barjenbruch, Vorstandsvorsitzender der KVN, begrüßt die Idee einer Enquetekommission. Ihre Empfehlungen „werden nicht die Ultima ratio sein. Vielmehr werden sie die bisherigen Aktivitäten begleiten“, sagte Barjenbruch. Er mahnte, ein Thema bei der Arbeit der Enquete solle die sektorenübergreifende Versorgung sein. Sandra Mehmecke, Präsidentin der Pflegekammer Niedersachsen, erklärte anlässlich der Einsetzung der Kommission: „Gerade an der Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung besteht viel Verbesserungspotenzial.“

Wenn die Ergebnisse vorliegen, solle die Landesregierung handeln, und zwar noch in dieser Legislatur. Referent Weinel fordert, die Kommission dürfe „auf keinen Fall als Papiertiger enden“.

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