Mehrpartner-Modell erneut auf dem Prüfstand

Die Frage steht schon so lange im Raum, wie Rabattausschreibungen zum Repertoire der Krankenkassen gehören: Sind Mehrpartner-Modelle vergaberechtlich zulässig oder sind sie es nicht? Als nächstes soll das Oberlandesgericht Düsseldorf eine Antwort geben.

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Wieviele Produkte pro Wirkstoff sind zulässig? Die Rahmenvereinbarungen zwischen Kassen und Apotheken stehen weiter in der Kritik.

Den Zuschlag an mehrere Partner pro Wirkstoff hatte kürzlich der Generikahersteller Dexcel bei der Vergabekammer des Bundes moniert. Anlass hatte eine Ausschreibung der Deutschen BKK gegeben. Neuralgischer Punkt des Mehrpartner-Modells ist demnach das "ungerechtfertigte Kalkulationsrisiko".

Die Absatzerwartungen eines Bieters, so die Kammer, stünden in unklarer Abhängigkeit von der Marktbedeutung anderer Partner. Ein Zuschlagsgewinn könne dadurch selbst für den Bieter des höchsten Rabatts wertlos sein. Solche Unwägbarkeiten seien nicht vergaberechtskonform.

Die Deutsche BKK will ihre Ausschreibung jedoch nicht aufgeben und hat Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt. "Wir finden, dass sich das Modell drei Verträge pro Wirkstoff bewährt hat", erklärte eine Sprecherin. Allerdings könne man "dem Apotheker keine Vorschriften machen, welches der Rabattarzneimittel er aussuchen soll. Er ist an den Rahmenvertrag gebunden".

Damit ist im Kern die Problematik umrissen, mit der sich das OLG beschäftigen wird: ob nämlich bei mehreren Zuschlägen pro Los eine Abgabe-Priorisierung erfolgen muss und wie diese dann unter einen Hut mit einer konkurrierenden Rahmenvereinbarung zwischen Kassen und Apothekerschaft zu bringen ist.

Nach Ansicht von Dexcel-Geschäftsführer Dr. Mathias Pietras sind Exklusivverträge nach dem Strickmuster der AOK ohnehin das Mittel der Wahl. Pietras kritisiert, dass kleine Anbieter trotz eines Zuschlags keinen Marktanteilszuwachs in einer Rabattpartnerschaft verbuchen können, sobald einer der großen Wettbewerber im gleichen Vertrag mit von der Partie ist.

Weil Pietras die Regelmäßigkeit dieses Phänomens anhand eigener Absatzzahlen belegen kann, rechnet er sich auch vor dem OLG Düsseldorf gute Chancen aus.

AOK: Stabiler eingestellt unter Exklusivvertrag

Mehrpartner-Modelle waren bereits früher Gegenstand juristischer Aus-einandersetzungen. Zuletzt genehmigte 2009 das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen der DAK Zuschläge für mehrere Partner pro Wirkstoff. Inzwischen jedoch hat das AMNOG die Rechtswegzuweisung geändert.

Jetzt sind Wettbewerbs- und kartellrechtliche Fragen von Selektivverträgen nicht mehr vor den Sozialgerichten, sondern den Zivilgerichten auszutragen. Letzteren wird eine geringere Kassenaffinität nachgesagt - für Dexcel-Chef Pietras ein Grund mehr, der bevorstehenden Verhandlung optimistisch entgegen zu sehen.

Eine nicht nur wirtschaftlich sondern auch medizinisch positive Bilanz für Exklusivverträge macht unterdessen die AOK auf. Dadurch werde vielen Chronikern ein häufiger Medikamentenwechsel erspart.

Eine Auswertung von 32 Millionen wirkstoffbezogenen Patientenprofilen der Jahre 2006 und 2010 habe ergeben, dass "nach Einführung der AOK-Verträge mit nur einem Vertragspartner pro Wirkstoff knapp 80 Prozent der chronisch Kranken dauerhaft auf ein Produkt eingestellt waren". 2006 habe die Quote stabil eingestellter Patienten erst 70 Prozent betragen.

Die Quote derer, die zwei verschiedene Produkte eines Wirkstoffs erhielten, sei von 24 Prozent (2006) auf 19 Prozent (2010) gesunken. Die Quote derer, die drei und mehr verschiedene Produkte erhielten, sank um mehr als die Hälfte von sechs auf 2,5 Prozent. Durch die dauerhafte Einstellung, so die AOK, erhöhe sich "vermutlich auch die Therapietreue und somit die Qualität der Versorgung". (cw)

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