In Hessen sollen die Praxen nächsten Dienstag zu bleiben

FRANKFURT/MAIN (ine). "Arzneimittelversorgung in Hessen - Bonbons statt Pillen?" Mit diesem Slogan ruft die Initiative Gesundheitsoffensive Hessen niedergelassene Ärzte auf, am 11. November ab 15 Uhr ihre Praxen zu schließen und damit gegen die Arzneimittelbudgets zu protestieren.

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Wie berichtet, werden die Ausgabenobergrenzen für Arzneimittel in Hessen in diesen Tagen überschritten werden. Darauf hat die KV-Spitze bereits vor einigen Wochen aufmerksam gemacht. Nach den bisherigen Berechnungen handelt es sich dabei um einen Betrag von knapp 170 Millionen Euro. Kommt es nicht zu einer Einigung mit den Gesetzlichen Krankenkassen, droht jedem Arzt in Hessen nach KV-Angaben ein Regress in Höhe von durchschnittlich 15 000 Euro.

"Das ist viel Geld für eine Praxis"; sagt Karin Fitzler. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin ist Mitglied der Freien Ärzteschaft und hat eine Praxis auf dem Land in Langenselbold. Ihrer Meinung nach sind die Sparvorgaben bei Arzneimitteln in den Praxen nicht umzusetzen; "Das ist ein einziger Verschiebebahnhof."

Dieser Meinung ist auch Dr. Dieter Conrad, Chef des Hausärzteverbandes in Hessen. Er unterstützt die Proteste: "Die Arzneiobergrenzen sind unsinnig." Dies zeigt sich seiner Meinung nach an einem simplen Rechenbeispiel: Addiere man die Richtgrößen, die festlegen, wie viel ein Vertragsarzt im Schnitt jedes Jahr verordnen darf, von allen Ärzten in Hessen, dann übersteige der Betrag die Arzneimittelobergrenze. "Beide Größen werden von Kassen und KV vereinbart - das kann doch nicht sein", sagt Conrad.

Er fordert der Realität in den Praxen angepasste gesetzliche Vorgaben. "Dazu müssen sich die Krankenkassen bewegen, den nötigen Spielraum haben sie", sagt Conrad. Der Hausärzte-Chef blickt deshalb auch gespannt auf den heutigen Freitag. Vertreter von Kassen, KV und Sozialministerium wollen sich am runden Tisch in Wiesbaden treffen, um einen Konsens zu finden.

Viele Ärzte sind allerdings skeptisch, ob es zu einer Einigung kommt.

"Die Kostenträger drohen bereits jetzt, Überschreitungen von unserem Honorar abzuziehen", sagt etwa Dr. Werner Prinz, Facharzt für Gynäkologie und erster Vorsitzender der Gesundheitsoffensive, einer Art gewerkschaftlichen Interessensvertretung in Wolfshagen.

"Wir müssen uns gegen den angedrohten Regress wehren." Die Initiative hat deshalb alle Kollegen aufgerufen, ihre Praxen ab 15 Uhr zu schließen und die Öffentlichkeit über die Situation zu informieren. Je nach Region wird es unterschiedliche Aktionen geben. "Manche Kollegen geben kleine Pressekonferenzen, tauschen sich mit Kollegen in den Qualitätszirkeln aus oder informieren ihre Patienten und verteilen dabei Bonbons", erzählt Prinz. Wie viele Niedergelassene sich letztlich an der Protestaktion beteiligen werden, kann er derzeit noch nicht abschätzen.

Für ihn ist allerdings klar: Beim Thema Arzneiverordnungen haben sich hessische Ärzte nichts vorzuwerfen: "Im Vergleich mit anderen Bundesländern haben wir sehr niedrige Ausgaben - weitere Sparmaßnahmen sind nicht drin."

Heute suchen Kassen, KV und Ministerium nach einer Lösung.

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