Opposition zerreißt Rösler-Reform in der Luft

Lautstarker Disput im Hohen Haus der Politik: Koalition und Opposition liefern sich eine hitzige und von etlichen Zwischenrufen geprägte Debatte um die geplante Gesundheitsreform von Schwarz-Gelb.

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Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) machte am Donnerstag im Bundestag gute Miene - obwohl massive Kritik auf ihn einprasselte.

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) machte am Donnerstag im Bundestag gute Miene - obwohl massive Kritik auf ihn einprasselte.

© dpa

BERLIN (hom). Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Elke Ferner sprach von einem "schwarzen Tag" für das deutsche Gesundheitswesen. "Und ich verspreche Ihnen, wir werden das 2013 alles wieder zurücknehmen." Die Koalition und ihr liberaler Gesundheitsminister Philipp Rösler hätten mit dem vorgelegten Reformentwurf ihr wahres Gesicht gezeigt.

"Die Maske ist gefallen." Union und FDP machten den Sozialstaat mit der "Abrissbirne kaputt". Arbeitnehmer müssten künftige Kostensteigerungen alleine tragen - in Form ungedeckelter Zusatzbeiträge. Der dafür vorgesehene "komische Sozialausgleich" sei in Wirklichkeit keiner, da er die Zusatzkosten nicht voll ausgleiche. Geringverdiener und Rentner würden schlussendlich wie eine Weihnachtsgans ausgenommen, nur um Arbeitgeber zu entlasten, kritisierte Ferner.

Der Entwurf von Union und FDP zur Reform der Krankenkassenfinanzierung sieht vor, dass der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ab 1. Januar 2011 von 14,9 auf 15,5 Prozent steigt. Zukünftige Ausgabensteigerungen sollen in Form von Zusatzbeiträgen der Versicherten aufgefangen werden. Die Höhe kann von den Kassen individuell festgelegt werden. Für Geringverdiener soll es einen Sozialausgleich geben.

SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann warf Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) vor, mit seiner Reform "Etikettenschwindel" zu betreiben. Der geplante Sozialausgleich sei in Wirklichkeit keiner, da nur ein Durchschnittsbetrag ausgeglichen werde, nicht aber der komplette Zusatzbeitrag.

Zudem enthalte die Reform keine Antworten auf strukturelle Probleme wie etwa die drohende Unterversorgung im ländlichen Raum oder bestehende Defizite in der Zusammenarbeit von Kliniken und Niedergelassenen. SPD-Experte Karl Lauterbach sagte voraus, die Reform der Koalition werde auf erheblichen Widerstand der Bevölkerung stoßen.

Die Gesundheitsexpertin der Linken Martina Bunge kritisierte, mit der Reform werde die Solidarität in der GKV "endgültig zu Grabe getragen". Fritz Kuhn von den Grünen warf der Koalition vor, mit Beendigung der solidarischen GKV-Finanzierung ein "Kernelement" der sozialen Marktwirtschaft zu zerstören. "Das ist brandgefährlich", so Kuhn.

Minister Rösler wies die Vorwürfe der Opposition zurück. SPD und Grüne hätten der Koalition ein Milliardendefizit bei den Kassen zurückgelassen. Dieses Defizit trage die Koalition mit ihrer Reform ab. "Wir nehmen beim Ausgleich des Defizits jeden in die Verantwortung."

Er verteidigte das Reformgesetz als nachhaltig und gerecht. Arbeitnehmer, Arbeitgeber wie auch Leistungserbringer leisteten einen Beitrag zur Konsolidierung der Kassenfinanzen. Ohne die Reform drohe der GKV ein Milliardendefizit.

Gleichzeitig sei der Einstieg in eine langfristige einkommensunabhängige Finanzierung des Gesundheitssystems gelungen. Das Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags sei richtig, da dadurch Gesundheits- und Arbeitskosten entkoppelt würden. Mehr Gesundheit dürfe nicht länger weniger Beschäftigung bedeuten, so Rösler.

Die Gesundheitssprecherin der FDP-Fraktion, Ulrike Flach, lobte die Reform als nachhaltig, fair und sozial ausgewogen. Mit der Weiterentwicklung der Zusatzbeiträge kehre man zur Beitragsautonomie der Kassen zurück. Für Geringverdiener gebe es einen "unbürokratischen Sozialausgleich" über Steuern. "Und genau hier gehört der Ausgleich zwischen Arm und Reich hin."

Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) sagte, die Versicherten könnten sich weiter darauf verlassen, optimal versorgt zu werden. "Der Kollaps des Systems findet nicht statt." Dies sei durch eine "historisch einzigartige" Sparaktion gelungen. Der Vorwurf der Lobbypolitik sei daher "Unsinn".

Lesen Sie dazu auch: Schlagabtausch um Röslers Arznei-Gesetz

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