Ärzte sehen Arzneihersteller als Partner von Integrationsverträgen mit Skepsis

Integrierte Versorgung (IV) ist ein Zukunftsmodell. Das ist Konsens. Die Entscheidung der Koalition, Pharmafirmen an IV-Verträgen zu beteiligen, bleibt dagegen umstritten.

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BERLIN (hom). Die Beteiligung von Unternehmen der Pharma- und Medizintechnik-Industrie an Verträgen zur Integrierten Versorgung (IV) bleibt umstritten. Der Chef der KV Westfalen-Lippe, Dr. Ulrich Thamer, sagte der "Ärzte Zeitung", er stehe dem eher skeptisch gegenüber. Ärzte dürften bei ihrer Therapieentscheidung auf keinen Fall fremdgesteuert werden. Die Entscheidung für diese oder jene Therapie sei immer an den Patientenbedürfnissen auszurichten, so Thamer.

Möglich macht die Teilnahme von Pharmaunternehmen an IV-Verträgen eine mit dem Arzneimittel-Neuordnungsgesetz (AMNOG) vorgenommene Ergänzung des Paragrafen 140 b SGB V. Krankenkassen können demnach künftig auch mit Pharmafirmen IV-Verträge abschließen.

Ärztevertreter hatten die Neuregelung scharf kritisiert und davor gewarnt, dass Ärzte in von der Pharmaindustrie initiierten Verträgen zu bloßen Erfüllungsgehilfen degradiert werden.

Die Bundesregierung hatte die Beteiligung der Pharmaindustrie dagegen als Chance bezeichnet. Eine koordinierte Behandlung, bei der auch die Arzneimittelversorgung einbezogen werde, könne Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung verbessern.

KV-Chef Thamer sagte, die Neuregelung biete zumindest die Chance, dass bei einer Industrie-Beteiligung an IV-Verträgen alles "offen und transparent" zugehe.

Bei Professor Volker Amelung, Gesundheitssystemforscher an der Medizinischen Hochschule Hannover, stieß die Neuregelung bei IV-Verträgen dagegen auf Zustimmung. Es handele sich um eine "extrem sinnvolle Regelung", sagte Amelung auf der Handelsblatt-Tagung "Health" am Montag in Berlin.

Integrierte Versorgung sei "definitiv ein Zukunftsmodell", so Amelung. Dem Gesundheitswesen mangele es nicht an exzellenten Leistungserbringern. Entscheidend sei aber, "dass das Orchester funktioniert" und Ärzte, Kliniken und Pflegedienste ihre Arbeit aufeinander abstimmten.

IV-Verträge machten ein solches Zusammenspiel möglich. Nach Wegfall der Anschubfinanzierung stelle sich mehr und mehr die Frage, wer in IV-Modelle noch investieren könne. Kassen, KVen wie auch Kliniken hätten kaum noch finanziellen Spielraum für solche Investitionen. Pharma- und Medtech-Unternehmen seien hingegen potenzielle Geldgeber.

Dr. Alexander Rehm, Geschäftsführer von Fresenius Kabi Deutschland, wies darauf hin, dass sich viele Unternehmen nicht mehr nur darauf beschränkten, ihre Produkte auf den Markt zu bringen.

Vielmehr versuchten sie, Versorgungsprozesse aktiv zu steuern, um für mehr Effizienz zu sorgen. Als Beispiel nannte Rehm HomeCare-Therapien, bei denen Patienten, die auf erklärungsbedürftige Hilfs- oder Arzneimittel angewiesen sind, zu Hause von geschulten Fachkräften angeleitet werden.

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