Schmerzliga punktet im Petitionsausschuss

Menschen, die starke Schmerzmittel einnehmen müssen, leiden bei einer Medikamentenumstellung wochenlang an Leib und Seele, sagt Dr. Marianne Koch, die Präsidentin der Deutschen Schmerzliga. Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages soll helfen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Wenn es um Kostendämpfung im Arzneimittelsektor geht, bleiben die Patienten außen vor, findet die Deutsche Schmerzliga.

Wenn es um Kostendämpfung im Arzneimittelsektor geht, bleiben die Patienten außen vor, findet die Deutsche Schmerzliga.

© BK / fotolia.com

BERLIN. Entschieden hat der Petitionsausschuss des Bundestages am Montag nicht. Einen Punkt hat die Präsidentin der Deutschen Schmerzliga, Dr. Marianne Koch, für ihre Petition gleichwohl gemacht.

Sie und 72.000 Unterzeichner, darunter zahlreiche Ärzte und Apotheker, haben gefordert, der Gesetzgeber möge Betäubungsmittel von der automatischen Austauschpflicht durch Apotheken ausnehmen.

Betroffen seien zwischen 900.000 und einer Million opioidpflichtige Schmerzpatienten, die durch teils mehrfache Umstellungen auf rabattierte Medikamente binnen kurzer Zeit erhebliche Einschränkungen ihrer Lebensqualität hinzunehmen hatten.

Es handele sich um Patienten, die rund um die Uhr mit starken Schmerzmitteln behandelt werden müssten, um weiterhin am sozialen Leben teilnehmen zu können und arbeitsfähig zu bleiben.

Abweichungen bei der Wirkstoffmenge sind das Problem

Der Vortrag der ehemaligen Schauspielerin kam an. Die Reaktionen der Ausschussmitglieder waren für die Petentin eher positiv. Möglicherweise leide das Arzneimittelmmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) noch an "Kinderkrankheiten", sagte Stefanie Vogelsang von der CDU/CSU-Fraktion.

Beeindruckt waren die Abgeordneten eher von den geschilderten körperlichen und seelischen Auswirkungen der Umstellung denn von den möglichen finanziellen.

Marianne Koch, von Haus aus Internistin, hatte davon berichtet, dass die Wirkstoffmenge in Generika zwischen 80 und 120 Prozent des Originalmedikaments betragen dürfe. Diese Spanne bedeute, dass jede Umstellung erneut eine sorgfältige und individuelle Einstellung durch den Arzt erfordere.

Nicht alle Patienten brächten die Kraft auf, diesen oft wochenlangen Prozess immer wieder über sich ergehen zu lassen. Geschätzt bis zu 2500 Selbsttötungen im Jahr, so Koch, würden von Schmerzpatienten in der Phase der Umstellung einer Medikation begangen.

"Der Apotheker schreibt das Rezept um"

Dass ausgerechnet bei solch sensiblen Indikationen der Apotheker die Verordnung des Arztes missachten müsse, sei ihrer Ansicht nach rechtlich problematisch und möglicherweise ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz.

"Der Apotheker schreibt das Rezept um", führte Koch zur Begründung an. Tatsächlich hält sich der Apotheker, wenn er dem Partienten das rabattierte Medikament statt des verordneten übergibt, an die Vorgaben des Gesetzgebers.

Die Kosten einer der Petition entsprechenden Änderung des AMNOG seien gering, schätzte Koch. Lediglich 6,9 Millionen Einheiten von insgesamt 200 Millionen im Jahr verordneten Einheiten an Schmerzmitteln seien betroffen. Möglichen Mehrausgaben bei den Medikamentenkosten ständen Einsparungen durch bessere Compliance und weniger Arbeitsausfälle entgegen.

Gesundheitsstaatssekretär Stefan Kapferer berichtete, dass der GKV-Spitzenverband keine Regelung innerhalb der Selbstverwaltung ins Auge fasse.

Er bezweifelte, dass Complianceprobleme in der Folge von Umstellungen auf rabattierte Betäubungsmittel bei den Kassen spürbare Mehrkosten verursachten. Anderenfallst würden die Kostenträger das Problem offensiver angehen.

Die Mehrkostenregelung als Lösung für BtM-Patienten?

Das seit Jahresbeginn geltende Instrument der Mehrkostenregelung sei ebenfalls noch nicht ausgeschöpft. Patienten können bei ihren gewohnten Medikamenten bleiben, wenn sie die den Kassen entstehenden Mehrkosten tragen.

Kritik gibt es daran, dass die Kassen nicht offen legen, wie hoch diese Kosten tatsächlich sind. "Auch das Gesundheitsministerium weiß nicht, wieviel die Kassen mit Rabattverträgen sparen", sagte Kapferer.

Sollten die gesetzlichen Krankenkassen die Mehrkostenregelung durch übertriebene Verwaltungskosten auch künftig torpedieren, werde das Ministerium tätig.

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